Stadtnachricht

Neue Form der Bürgerbeteiligung


Die Energiewende mit dem schrittweise Abschalten der Atomkraftwerke ist beschlossene Sache. Etwas länger dauert es wohl, bis aus regenerativen Energien genügend Ersatz geschaffen wird, um die Nachfrage zu decken. Ziel der Landesregierung ist es, bis zum Jahr 2020 mindestens zehn Prozent des Strombedarfs mit "heimischer Windkraft" zu erzeugen. Dies bedingt zwangsweise den Bau von Windkraftanlagen. Rund zwei Dutzend davon sind nach ersten Grobplanungen auf dem Schurwald und nördlich der Rems im Raum Schorndorf vorgesehen. Bevor diese gebaut werden können, sind noch wichtige Untersuchungen notwendig. Wenn diese bis voraussichtlich Herbst abgeschlossen sind, wird in Schorndorf (ebenso in der Nachbargemeinde Winterbach) eine neue Form der Bürgerbeteiligung eingeführt. Knapp 30.000 Euro werden dafür zur Verfügung gestellt. Darauf hat sich der Gemeinderat einstimmig in seiner jüngsten Sitzung geeinigt. Kurz zuvor war der Bau von rund 150 Meter hohen "Spargeln" auch zentrales Thema in der Bürgerversammlung.

Besucher bei der Bürgerversammlung

Bevor es ernsthaft an die konkrete Standortplanung geht, müssen Landesplanung und Regionalplan in Einklang gebracht werden. Dem dient auch der geplante Gesetzentwurf zur Änderung des Landesplanungsgesetzes. Der Bau von großen Windrädern soll dabei natur- und landschaftsverträglich und insbesondere mit Bürgerbeteiligung erfolgen. Letztere wird in der Daimlerstadt groß geschrieben. Das Gremium beschloss dafür auf Vorschlag der Verwaltung einen moderierten, erweiterten Bürgerbeteiligungsprozess.

Dazu sind Planungswerkstätten vorgesehen, die von Ute Kinn, einer fachkundigen Mitarbeiterin des renommierten Ettlinger Büros GRiPS, moderiert werden. Vorgeschlagen wird von ihr eine Zufallswahl aus dem Einwohnermelderegister mit zunächst 1.000 Personen, im Alter von 18 bis 85 Jahren. Diese werden angeschrieben und um Mitwirkung gebeten. Erfahrungsgemäß liegt der Rücklauf bei fünf bis zehn Prozent. Um "frisches Blut" in die Diskussion zu bringen, erfolgt daraus eine repräsentative Auswahl nach Alter, Geschlecht und den Stadtteilen von 60 Leuten. Die betroffenen Ortsteile Oberberken und Schlichten sollen überproportional vertreten sein. Weitere 40 Plätze sind für offizielle Stadtvertreter und Mitglieder aktiver Gruppen gedacht. Nach einer Auftaktveranstaltung zur Info sind zwei sogenannte Werkstattgespräche und ein Expertenhearing vorgesehen.

Ziel der Beteiligungsrunde ist, dass die mitarbeitenden Bürgerinnen und Bürger eine Empfehlung an den Gemeinderat formulieren und verabschieden. Dieser hat dann das letzte Wort.

OB Matthias Klopfer wies darauf hin, dass es viele Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung gäbe. In der Daimlerstadt setze man auf ein offenes und nachvollziehbares Verfahren. Planungsamtsleiter Manfred Beier ist "guter Hoffnung", dass nach dem Abwägungsprozess Windkraftanlagen aufgestellt werden können.

Bei der Bürgerversammlung meldete lediglich eine in Oberberken ortsbekannte notorische Dauernörglerin Bedenken gegen die Art der Bürgerbeteiligung an. Ihr skurriler Vorschlag: Nur Anlieger einladen und solche Leute, "die von der Sache etwas verstehen." Im Gremium sieht man dies anders. CDU-Fraktionsvorsitzender Hermann Beutel ist "positiv gespannt, wie das Verfahren abläuft." Da die Windkraft in unserem verdichteten Raum massive Änderungen bringe, sei es den Versuch wert, die breit angelegte Bürgerbeteiligung umzusetzen. "Wir erwarten gute Argumente und haben keine Angst vor Bürgern", fasste Stadtrat Hans-Ulrich Schmid die Meinung der SPD-Fraktion zusammen. Die Sache werde vernünftig und richtig angepackt. Dies unterstrich auch Grünen-Fraktionssprecher Werner Neher: "Es macht Sinn, die Leute zu beteiligen." Vom misslungenen Auftakt des "Filderdialogs" zu S 21 dürfe man sich nicht abschrecken lassen; dieser sei unprofessionell angegangen worden.

FDP/FW-Fraktionsvorsitzender Erdmann freut sich, dass Schorndorf ab der ersten Stunde dabei ist. Die Euphorie in Sachen Bürgeranhörung will er allerdings nicht teilen: "Das ist blauäugig und voller Illusionen." Obwohl er zustimme, wolle er Skepsis anmelden: "Es werden Erwartungen geweckt, die nicht zu erfüllen sind."