Stadtnachricht

Thitz und die über tausend Tüten

Ein Erlebnis des Staunens - Die Schau geht bis zum 25. Juli

Schorndorf Aktuell
(sr) - Seine Kunst sei ein "kunstvolles Chaos", hier "entspringt eine Welt, in der wir unsere Gedanken springen lassen können", sagt die Kunsthistorikerin Ricarda Geib über die "Tütenkunst" des Künstlers Thitz. In den Galerien für Kunst und Technik ist bis zum 26. Juli die Tütenwelt-Kunst des mittlerweile in Winterbach lebenden Künstlers zu sehen. Zur Ausstellungseröffnung mit einer Musik-Kunst-Performance von Thitz und Dieter Seelow verschwanden auch die Grenzen zwischen Akteur und Publikum. Denn fast alle waren doch irgendwie auch Künstler.

An den Wänden im Ausstellungsaal, von der Decke im Lichthof und als kugelrunder Tütenball hängen mehr als tausend Tüten. Tüten, gestaltet von großen und kleinen Menschen, die, inspiriert vom Künstler Thitz, den Bilderschaffer in sich entdeckten.

Der Schorndorfer Himmel hängt voller Tüten. "Sie werden überwältig sein", versprach Oberbürgermeister Matthias Klopfer bei der Eröffnung der ganz besonderen Schau. Überwältigt von dem, was passieren kann, wenn ein Künstler unters Volk geht. Das Volk zum Künstler wird. Lustvolle Grenzüberschreitungen, angeregt von einem Mann, der den schönen Satz formuliert hat: "Ich liebe die Menschen."

Was passiert, wenn man die Menschen liebt? Nun, man redet mit ihnen. Der Künstler bietet seine Sprache an, sagt denen, die sonst nur betrachten dürfen: Nimm eine Tüte und mal sie an. Oder zerschneide sie, umwickle sie tu einfach das mit ihr, was du willst.

Tüten sind banale Objekte unseres täglichen Alltags. Tüten sind Fetische, Tüten sind Prestigeobjekte. Zeig mir deine Tüten und ich sage dir, wer du bist.

Ein überdimensionaler Tütenvorhang hängt im Lichthof der Galerie. 9000 Tüten wurden verteilt, davon kamen 1200 zurück. Kufo-Geschäftsführerin Alexa Hayder hat nackte Tüten in Schulklassen gebracht, Einzelhändler und Gastronomen haben ihre Kunden zum Tütenmalen animiert. Schorndorf die Tütenstadt: Es gibt Tüten auf denen Babybilder prangen, Tüten mit aufgemalten Krokodilen oder aufgeklebten Reclamheften. Auf einer Tüte hängt das Teilnehmerband vom 1. Freiburger Schwimmfest anno 1968, eine andere wurde umfunktioniert zum Stoffhasenstall und eine Tüte leuchtet gar dank einer eingebauten Glühbirne.

Aus Thitz Bildern ragen Tütenhenkel, Tüten stehen im Vorder- oder Hintergrund, sind Elemente seiner Collagen, die Stadtlandschaften abbilden und gleichzeitig Unsichtbares sichtbar machen, Unmögliches im Bild behaupten. Da schweben Menschen durch Straßenfluchten, Texte liegen über Häusern man sieht, was man sieht und das andere eben auch.

Thitz beherrsche die Kunst, so Ricarda Grieb, "der Zeit das abzugewinnen, was sie im Vorübergehen an Poetischem enthält". Tüten, wenn man so will, sind die Transportbehältnisse nicht nur von profanen Konsumartikeln. Tüten hängen gebunden zu einem Globus auch in der Technikgalerie von der Decke. "Alles ergibt sich wie von selbst, ist erst der Anfang gemacht" - was für Thitz Kunst gilt, gilt auch für die von ihm angeregte Tütenkunst. Und genau genommen ist Kunst mal wieder nichts anderes als Sichtbarmachung: Zeigen, was mit den Dingen geschieht, wenn sie in die Welt kommen. Darstellen, wie sich Ansichten durch äußere und innere Zustände verändern. Dabei hat Thitz eine ganze Stadt neugierig gemacht. Auf ihn und seine Kunst und auf das, was jeder Einzelne fertig bringen kann, wenn er die Neugier, wie Thitz das auch tut, als eine Tugend begreift.