Stadtnachricht

"Wir haben unser Pulver trocken gehalten"
Interview mit EBM Horst Reingruber zum 20-jährigen Dienstjubiläum


EBM Horst Reingruber (links) und Manfred Schmid

Horst Reingruber (CDU), inzwischen 57 Jahre alt, hat am 1. August 1989 seinen Dienst im Schorndorfer Rathaus als Erster Bürgermeister (EBM) angetreten. Der Jurist war zuvor in der Finanzverwaltung, zuletzt im Stuttgarter Finanzministerium tätig. Reingruber ist verheiratet mit Gabriele. Sie haben zwei Töchter im Alter von 25 und 30 Jahren. "Schorndorf Aktuell" sprach mit ihm über seine Motivation im Dienst, die Finanzkrise, sein Verhältnis zu OB Matthias Klopfer (SPD) und frühere Abwanderungsgedanken. Die Fragen stellte Presseamtsleiter Jörg Aschbacher.

Herr Reingruber, Sie sind nun zwei Jahrzehnte als Erster Bürgermeister im Amt, sind Vorsitzender der Volkshochschule und der Jugendmusikschule und sitzen im Kreistag. Gehen Sie noch gerne ins Büro?

Reingruber: Mir macht die Arbeit in diesem vielfältigen und weit gespannten Arbeitsfeld weiterhin Freude. Die Finanzkrise und damit verbunden die nachlassenden Steuereinnahmen zwingen uns zur Anspannung aller Kräfte, um das kommunale Schiff in Schorndorf auf Kurs zu halten. Das Interessante im kommunalen Geschäft ist die große Bandbreite und die daraus resultierenden Aufgaben, die sich schwerpunktmäßig immer wieder ändern.

Die Volkshochschule und die Jugendmusikschule sind inzwischen gut organisierte Vereine, auf die ich stolz bin.

Die Arbeit im Kreistag ist insoweit wichtig, als es mannigfache Verflechtungen zwischen der Stadt Schorndorf und dem Rems-Murr-Kreis gibt; denken Sie nur an das Schorndorfer Krankenhaus oder das Kreisberufsschulzentrum.

Bekanntlich halten Sie sich mit Rad fahren fit. Bleibt bei den vielen Aufgaben noch Zeit für andere Hobbys?

Reingruber: Es ist bekannt, dass ich ein Faible für den Sport habe. Im Sommer trete ich gerne in die Pedale und im Winter gehört meine Liebe dem Ski fahren in den Bergen. Daneben hat die Familie Priorität; ab und zu gelingt es mir (z. B. im Urlaub), ein Buch vollständig zu lesen.

Was hat sich nach Ihrer Einschätzung Grundlegendes seit Ihrem Amtsantritt verändert?

Reingruber: Nach meiner Einschätzung hat sich die Stadtverwaltung Schorndorf grundlegend von einer administrativ orientierten hin zu einer wirtschaftlich denkenden Verwaltung entwickelt.

Wir haben erkannt, dass die Städte miteinander im Wettbewerb stehen. Deshalb sind sowohl die harten Standortfaktoren, wie Bauplätze für Gewerbebetriebe, als auch die weichen Standortfaktoren wie gute Schulen, Kindergärten, Kultur und Wohnqualität, in der Stadt wichtig.

Insgesamt haben wir, auch im Hinblick auf die Verwaltungen in den Ortschaften und die Arbeit im Gemeinderat, eine Straffung der kommunalpolitischen Arbeit erreicht.

Sie sind CDU-Mitglied, Ex-OB Winfried Kübler gehörte ebenfalls dieser Partei an. Der jetzige Oberbürgermeister Matthias Klopfer hat das SPD-Parteibuch. Wie kommen Sie damit zurecht?

Reingruber: Oberbürgermeister Matthias Klopfer ist wie ich ein pragmatisch denkender Mensch. Selbstverständlich haben wir im Einzelfall unterschiedliche Auffassungen. Ich arbeite mit ihm, wie früher mit Oberbürgermeister Winfried Kübler auch, sehr gut zusammen.

Lässt sich bei der Aufgabenerfüllung Parteipolitik überhaupt darstellen? Reingruber: Es gibt keine ausgesprochene CDU- und keine ausgesprochene SPD-Politik auf dem Rathaus. In der Kommunalpolitik ist entscheidend, was unterm Strich herauskommt, und da kann sich Schorndorf als eine der dynamischsten und vitalsten Städte in unserem Kreis durchaus sehen lassen.

Sie waren kürzlich im Urlaub. Haben Sie diesen genossen und sich trotzdem für die Finanzkrise gewappnet, die nun auch Schorndorf erreicht?

Reingruber: Ich war im Urlaub an der Ostsee auf dem Darß. Dort habe ich regelmäßig die Ostseezeitung gelesen; in deren Schlagzeilen wurde stets über den Kampf um die Arbeitsplätze auf den Werften in Rostock und Wismar berichtet. Festzuhalten ist: Finanzkrise quer durch die Republik.

Der Urlaub war erholsam, so dass ich für die Haushaltsplanungen und Vorbereitungen für das sehr schwierige Jahr 2010 gut gerüstet bin.

Es gibt ja ein stetiges Auf und Ab bei den Steuereinnahmen und damit bei den Gestaltungsmöglichkeiten für eine Stadt. Ist der jetzige Einbruch vergleichbar mit früheren Rezessionen?

Reingruber: Bis jetzt galt bei den Steuerarten die Gewerbesteuer gemeinhin als die Steuer, die für die Wechselbäder der Konjunktur am anfälligsten ist. Bei vielen Städten hat sich die Gewerbesteuer halbiert. In Schorndorf können wir auf niedrigem Niveau momentan noch auf eine einigermaßen stabile Gewerbesteuersituation blicken.

Neu ist, dass nach den Steuerschätzungen die Einkommenssteuer und auch die Finanzzuweisungen des Landes stark zurückgehen.

Für Schorndorf sind Mindereinnahmen für 2010 von drei bis vier Millionen Euro prognostiziert. Insoweit hat der jetzige Einbruch bei den Steuereinnahmen schon krisenhafte Züge und ist nicht mit einer Rezession vergangener Jahre zu vergleichen. Zu schaffen macht uns die Unsicherheit, ob bei zunehmender Kurzarbeit und daraus resultierender Arbeitslosigkeit die Talsohle schon erreicht ist oder ob wir gar noch mit einer Verschärfung der Situation durch steigende Soziallasten rechnen müssen.



Was empfehlen Sie als sparsamer Finanzdezernent in dieser Situation? Auf Teufel komm raus sparen oder wie die Bundesregierung stark in die Verschuldung gehen?

Reingruber: Wir in Schorndorf haben in den vergangenen Jahren sparsam gewirtschaftet. Deshalb haben wir unser Pulver trocken gehalten und können unsere begonnenen Investitionen weiter führen, in dem wir auf unsere Rücklagen zurückgreifen und den Kreditmarkt zunächst nicht in Anspruch nehmen müssen.

Wir haben aus den letzten 20 Jahren Erfahrungen mit relativ hohen Verschuldungen. Deshalb rate ich in dieser schwierigen Situation dazu, noch nicht begonnene Investitionen zeitlich zu verschieben, um mit einem maßvollen, vertretbaren Anstieg der Verschuldung auszukommen.

Wichtig ist, dass wir, auch wenn wir neue Schulden machen, die Verschuldung im Griff behalten, das heißt, immer in der Lage sind, den Schuldendienst zu leisten und bei anziehender Konjunktur und steigenden Steuereinnahmen auch in der Lage sind, unsere Schulden zeitnah zurückzuzahlen.

Letztendlich sind es unsere Bürgerinnen und Bürger, die die Schulden der Stadt Schorndorf zurückzahlen müssen. Deshalb müssen wir mit dem Thema Verschuldung sehr sorgsam umgehen. Der Bremsweg in der Finanzpolitik ist ja bekanntlich ziemlich lang.



Vor dem Gemeinderat äußerten Sie den Eindruck, die Krise sei bei den Stadträten noch nicht angekommen. Was meinten Sie damit?

Reingruber: Bei nachlassender Steuerkraft ist es zunächst wichtig, bei laufenden Ausgaben zurückhaltend zu sein, um den Verwaltungshaushalt nicht zu belasten.

Bei der jüngsten Debatte um die Finanzierung verschiedener Kinderbetreuungseinrichtungen hat sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass, entgegen dem Vorschlag der Verwaltung, ohne Not eine großzügige Finanzierung von privaten Kindergartenträgern beschlossen wurde, die den Verwaltungshaushalt der Stadt auf Jahre hinaus belastet und auch Forderungen anderer Träger nach sich ziehen wird.

Bei stark nachlassenden Steuereinnahmen muss man die Stärke haben, Wünsche abzulehnen. Es ist schon schwer genug, den Status quo zu halten.

Bei den kommenden Haushaltsberatungen wird es darum gehen, dies grell zu beleuchten und allen Verantwortlichen in der Stadt zu verdeutlichen.



Gelegentlich liebäugelten Sie damit, selbst Oberbürgermeister zu werden. Haben Sie noch Abwanderungsgedanken?

Reingruber: Ich fühle mich in Schorndorf wohl, die nächsten Jahre werden sicher interessant und schwierig zugleich.

In puncto Abwanderungsgedanken ein klares Nein.



Sie gelten als Mann der klaren Worte, der ohne viel Umschweife zur Sache kommt. Sind die Stadträte damit immer einverstanden oder spüren Sie deshalb gelegentlich Gegenwind?

Reingruber: Nach meiner Einschätzung habe ich in den 20 Jahren gut mit dem Gemeinderat zusammengearbeitet. Auch der eine oder andere Dissens hat das gute Verhältnis zum Gemeinderat nicht ernsthaft belastet. Auch Gegenwind gehört bisweilen zum Geschäft. Wichtig ist, dass man auch bei unterschiedlicher Auffassung in der Sache immer wieder zielgerichtet und sachorientiert auf die Arbeitsebene zurückfindet.

Volkshochschule und Jugendmusikschule galten früher als ziemliche Unruheherde, die auch entsprechend in der öffentlichen Kritik standen. Wie ist Ihnen als ehrenamtlicher Vorsitzender der Umschwung gelungen?

Reingruber: Seit Beginn der 90er Jahre bin ich Vorsitzender der Volkshochschule und der Jugendmusikschule; ich habe versucht, diese beiden Einrichtungen zu professionalisieren, die Organisation zu straffen und insbesondere auch bei unseren Umlandgemeinden die notwendige Unterstützung für meinen Kurs bei diesen beiden Bildungseinrichtungen zu erhalten.

Schließlich ist es gelungen, mit Günther Neher für die Jugendmusikschule schon sehr früh und mit Klaus-Peter Sperr für die Volkshochschule, qualifizierte Leiter zu gewinnen, die das operative laufende Geschäft professionell handhaben und bei ihren Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen Respekt und Anerkennung genießen.

Ich denke, dies war letztendlich der Schlüssel zum Erfolg.

Was hat Sie persönlich in den letzten 20 Jahren besonders gefreut und worüber haben Sie sich echt geärgert?

Reingruber: Besonders gefreut hat mich in den letzten 20 Jahren, dass es uns gelungen ist, trotz nicht nachvollziehbarer Widerstände die Barbara-Künkelin-Halle zu realisieren; nicht vorstellbar, wenn dieses Projekt gescheitert wäre.

Auch wenn man sich heute kaum noch daran erinnert, die Fertigstellung der B 29-Umfahrung von Schorndorf hatte für unsere Stadt existenzielle Bedeutung.

Ich habe mich sicher über vieles geärgert; aber nicht so, dass es mir bis heute nachhaltig in Erinnerung wäre.

Halten Sie es angesichts der in den Keller sausenden Stadtfinanzen noch für opportun, in jedem der sieben Stadtteile mit Ortschaftsrats-Gremien zu arbeiten, die außer der Verpachtung der Winterschafweide so gut wie keine Entscheidungen treffen können? Und noch einen Schritt weiter: sieben Rathäuser mit Ortsverwaltungen zu unterhalten kostet eine ordentliche Stange Geld, obwohl dieselben Dienstleistungen zentral in Schorndorf angeboten werden könnten. Sehen Sie da Einsparpotentiale?

Reingruber: Grundsätzlich ist es wichtig, die Ortschaften politisch mit in die kommunale Arbeit einzubinden. Man kann sicher trefflich darüber streiten, in welcher Weise dies sinnvoll geschieht.

Einfacher zu beantworten ist die Frage, ob die Dienstleistungen, die zum Teil in den Ortsverwaltungen erbracht werden, zentral in Schorndorf angeboten werden können. Diese Frage kann nur uneingeschränkt mit ja beantwortet werden.

Viele Städte sind diesen Weg bereits gegangen, haben ihre Verwaltungen gestrafft und auch nennenswerte Einsparpotentiale erzielt. In Schorndorf ist dies gegenwärtig nicht diskutabel; vielleicht eine Aufgabe für die nächste Generation.

Möglicherweise wird dieser Prozess aber auch durch den notwendigen finanziellen Leidensdruck wieder etwas beschleunigt.

Wie feiern Sie Ihr Jubiläum?

Reingruber: Ich lege eine kleine Gedenkminute ein und gehe zur dann zur Tagesordnung über.