Stadtnachricht

Die Arbeitswelt im Wandel der Zeit
7. Schorndorfer Unternehmerforum in der Barbara-Künkelin-Halle


Bei der Podiumsdiskussion: Wilfried Porth, Daimler AG, Moderator Knut Bauer, Rolf Gerlach von der Chairholder GmbH & Co. KG, Dr. Irmgard Neuper von Catalent Germany Schorndorf GmbH und Dirk Müller, Hartmann-exact KG (v.l.).
Bei der Podiumsdiskussion: Wilfried Porth, Daimler AG, Moderator Knut Bauer, Rolf Gerlach von der Chairholder GmbH & Co. KG, Dr. Irmgard Neuper von Catalent Germany Schorndorf GmbH und Dirk Müller, Hartmann-exact KG (v.l.).

Mehr als 300 Unternehmerinnen und Unternehmer kamen am Montagabend in der Barbara-Künkelin-Halle zusammen. Die Wirtschaftsförderung hatte zum 7. Schorndorfer Unternehmerforum geladen. Thema des Abends war, die Arbeitswelt in der Zukunft. Gastredner war Wilfried Porth, Vorstand bei der Daimler AG und zuständig für Personal und Arbeitsdirektor, IT & Mercedes-Benz Vans. Zudem war er Teil einer Podiumsdiskussion, moderiert von Knut Bauer vom SWR.

Fachkräftemangel

Malin Recknagel am Klavier. Nach einem musikalischen Auftakt durch die diesjährige „Jugend musiziert“-Siegerin Malin Recknagel am Klavier begrüßt Oberbürgermeister Matthias Klopfer die geladenen Gäste. „Inzwischen ist es fast schon eine schöne Tradition, dass ein Vorstandsmitglied von Daimler beim Unternehmerforum in der Daimlerstadt spricht“, beginnt er. Klopfer verweist auf den Wandel, den aktuell so ziemlich jeder Bereich in der Arbeitswelt durchlaufe. „Die Zukunft zu gestalten, ist eine gemeinsame Aufgabe der Politik und der Unternehmen. Der Wandel beschleunigt sich. Vor acht Jahren steckte man noch voll in der Finanzkrise, vor sieben Jahren kam das erste Smartphone in Deutschland auf den Markt, dann kam 2011 Fukushima und im Anschluss die erste Rot-Grüne Landesregierung. Arabischer Frühling und Brexit ließen nicht lange auf sich warten, nun beobachten wir Erdogan und Trump. Und über all dem steht inzwischen der Fachkräftemangel.“ Schorndorfs Einwohnerzahl sei stabil, doch es werde in diesem Jahr nur noch 500 Schulabgänger geben, vor rund 30 Jahren waren es noch 800. „Eine meiner ersten Amtshandlungen im Jahr 2006 war ein Brief an die Schorndorfer Betriebe mit der Bitte, mehr Auszubildende aufzunehmen. Inzwischen heißt es eher ‘Ausbildungsstelle sucht Azubi’ und ‘Arbeitsplatz sucht Arbeitnehmer’.“

Die gleiche Entwicklung sei beim Wohnungsbau festzustellen. 2006 hieß es noch ‘Wohnung/Haus sucht Käufer/Mieter’ doch inzwischen ist man auch da bei ‘Käufer/Mieter sucht Haus/Wohnung’ angekommen. Auch die Innenstadt, die das zentrale Qualitätsmerkmal von Schorndorf sei, befinde sich im Wandel. „2006 gab es eine funktionierende Innenstadt mit vielen individuellen Einzelhändlern, mittlerweile gibt es zunehmend Filialisten, mehr Gastronomie und einen hohen Kaufkraftverlust durch Onlinehandel.“ Ebenfalls riss Klopfer Themen wie Kinderbetreuung, Flüchtlinge, Digitalisierung und Mobilität an. Nach einer kurzen Vorstellung von aktuellen und kommenden großen Bauprojekten der Stadt und privater Investoren sagte er: „Ich bin mir sicher, dass auch die Arbeitswelt der Zukunft vom Netzwerken der Unternehmen untereinander lebt.“

Gastvortrag

Wilfried Port, Daimler AG, bei seinem Vortrag. In seinem Vortrag machte Gastredner Wilfried Porth unter dem Titel „Stempeluhr vs. Mobiles Arbeiten, Openspace vs. Cubicle, Duzen vs. Siezen: Was erwartet uns in der Arbeitswelt der Zukunft?“ anschaulich, welche Chancen und Risiken die Digitalisierung für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber mit sich bringt, und weshalb sich Unternehmen immer schneller auf ein vernetztes und digitales Umfeld einstellen müssen.
Flugbuchungen über das Smartphone, Einkäufe bei Amazon über eine App, und das alles von unterwegs - dies sind nur zwei Beispiele für eine immer stärker werdende Vernetzung und Mobilität, die Porth aufzählte. Diese Flexibilität, die Arbeitnehmer nahezu jedes Alters im Privatleben gewöhnt sind, sei in vielen Unternehmen aufgrund anderer Grundvoraussetzungen nicht gegeben. So böten beispielsweise Großrechensysteme nicht die Mobilität, die dafür notwendig wäre. Die große Schwierigkeit für Unternehmen sei es also, eine Brücke zwischen diesen traditionellen Systemen und den Möglichkeiten, die jeder von zu Hause kennt, zu bauen. Dabei werde mobiles Arbeiten, egal ob von zu Hause oder von einem anderen Standort aus, immer wichtiger. Dies bringe jedoch vor allem im arbeitsrechtlichen Bereich einige Stolpersteine mit sich. Gerade Arbeitszeitregelungen ließen sich nicht mehr mit den Anforderungen von heute vereinbaren, beispielsweise bei der Einhaltung von Ruhezeiten oder der Arbeit an Sonntagen. Ziel sollte es laut Porth sein, dem Mitarbeiter die Entscheidungen, wann er erreichbar ist und wann er was erledigt, selbst zu überlassen. Durch größeres Vertrauen und eine größere Entscheidungsfreiheit soll ihm so mehr Flexibilität ermöglicht werden.
Auch bei der Gestaltung von Arbeitsräumen müsse auf die neuen Voraussetzungen reagiert werden. Dabei würden die mit einem negativen Image belasteten Großraumbüros zu einer echten Chance. Zahlreiche neue Konzepte zeigten, dass man darin durchaus produktiv arbeiten könne, vorausgesetzt die Räume seien entsprechend eingerichtet und mit Gesprächsinseln oder Aufenthaltsbereichen mit Lounge-Charakter gestaltet. Durch mobiles Arbeiten sei es beispielsweise nicht mehr zwingend notwendig, für jeden Mitarbeiter einen eigenen Schreibtisch vorzuhalten. „Shared desk“, also „geteilter Schreibtisch“, nennt sich das Konzept, in der sich Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen. Festnetz- und Netzwerkanschlüsse fallen weg, alles läuft soweit möglich kabellos. Ob man vom Schreibtisch aus mit dem Laptop arbeitet oder ein Meeting an einer Kaffeebar abhält, bleibt den Mitarbeitern selbst überlassen. Ob die Arbeitnehmer sich dabei duzen oder siezen, soll ebenfalls jeder selbst entscheiden können.
In der Produktion habe die Digitalisierung schon länger Einzug gehalten, wie Porth berichtet. Hier sei ein mobiles Arbeiten zwar nicht möglich, auch diesen Mitarbeitern müssten aber Vorteile gewährt werden. Roboter brächten Erleichterungen mit sich, die Arbeitsschritte hätten sich dadurch teilweise deutlich verändert. Arbeitnehmern sei es durch diese technische Unterstützung möglich, auch mit 60 Jahren noch in der Produktion tätig zu sein - früher aufgrund der schweren körperlichen Arbeit undenkbar.

Podiumsdiskussion „Arbeitswelt der Zukunft“

Die Barbara-Künkelin-Halle war gut gefüllt. Direkt nach seinem Vortrag nimmt Wilfried Porth gemeinsam mit Dr. Irmgard Neuper von Catalent Germany Schorndorf GmbH, Rolf Gerlach von Chairholder GmbH & Co. KG und Dirk Müller von der Hartmann-exact KG auf der Bühne Platz.

Moderator Knut Bauer beginnt mit einer Frage zum „shared desk“ und wie dieser funktioniere, wenn mal alle Mitarbeiter gleichzeitig im Haus sind. Wilfried Porth und Dr. Irmgard Neuper sind sich einig, dass das in einigen Bereichen nie vorkommt, aber die Dynamisierung der Arbeitsplätze sei auch nicht für alle Abteilungen geeignet. Auch die Digitalisierung und Industrialisierung 4.0 rückt bei den Unternehmen immer stärker in den Fokus. Bei Catalent ergebe sich das zum Beispiel aktuell aus der Notwenigkeit heraus, so Neuper, dass in Amerika ab 2021 jedes Medikamentenpäckchen mit einer einzigartigen und zurückverfolgbaren Nummer versehen werden müsse. Vier von 18 Linien liefen bereits so, es gebe aber auch noch Pressen der Generation 1.0. Geschäftsführerin Dr. Irmgard Neuper betont die dadurch steigende Anforderungen, die den derzeit 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Catalent abverlangt werden müssen. Zur Erhöhung der Produktivität setze man mehr auf hochwertige Produkte, für die zunehmend Fachkräfte benötigt werden, die schwer zu finden sind. Bei Hartmann-exact dauert es zwischen acht Monaten und zwei Jahren, bis ein neu entwickelter Sensor auf die Straße in ein Auto komme, so Dirk Müller. Entwicklungsprojekte setzten voraus, dass Fachkräfte monatelang intensiv zusammenarbeiten. Bisher habe viel in Linienorganisationen stattgefunden, nun eher in ressortübergreifender Kommunikation. Passend dazu hat Hartmann-exact einen Bereich seiner Büros von Rolf Gerlach, Chairholder umgestalten lassen. Mehr Plätze und mobileres Arbeiten war der Wunsch. Die Mitarbeiter wurden mitgenommen und gemeinsam eine Lösung erarbeitet. Gerlach lobt, dass Hartmann-exact die Chance erkannt hat, die neue Büroorganisation bietet. Der neu gestaltete Raum für 30 Personen habe eine sehr positive Atmosphäre, es gibt mehr Kommunikation und die Mitarbeiter kommen gerne zur Arbeit.

Auf Nachfrage von Moderator Bauer, ob die Gesetzmäßigkeit bei kleinen und großen Unternehmen die gleiche sei, betont Porth, dass egal wie groß die Firma ist, doch die gleichen Menschen dort arbeiten, die dieselben Bedürfnisse haben. Nur sei solch eine Veränderung in einem großen Unternehmen schwerer umzusetzen. Dem wachsenden Einsatz von Robotern in der Produktion und ob diese den Beschäftigten zunehmend die Arbeit wegnehmen, solle man seiner Ansicht nach gelassen gegenüberstehen. Denn es gebe durchaus auch unbeliebte Arbeitsschritte, die keiner gerne mache und die dann von Robotern übernommen werden können und die auch älteren Mitarbeitern die Arbeit erleichtern würden. Von den Diskussionsteilnehmern aller vier Unternehmen werden Roboter eher als Unterstützung gesehen, als eine Gefahr.
Sprachkenntnisse

Wie wichtig Sprachkenntnisse sind, erklärt Dr. Neuper: „Bei uns ist es absolut notwendig, dass man die Deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht. Wenn ich bei der Dokumentation nicht verstehe, was ich mache und es nicht niederschreiben kann, kann man bei uns nicht arbeiten. Unsere Mitarbeiter müssen auch zunehmend Englisch sprechen. Auch die Linien sind zweisprachig. Häufig kommen Kunden, stehen an den Linien und wollen sich erklären lassen, was dort passiert. Das müssen die Mitarbeiter auf Englisch können.“

Die Idee des Homeoffice sehen alle vier Unternehmer positiv. Für Dr. Irmgard Neuper ist dies ein wichtiger Aspekt für junge Mütter, Wilfried Porth findet es auch für Väter wichtig oder einfach für alle, die beispielsweise das gute Wetter am Vormittag genießen wollen und abends dann arbeiten. Dirk Müller erklärt, dass auch bei Hartmann-exact viel mobil gearbeitet werde: beispielsweise auch im Büro in Shanghai. Wichtig sei dabei das Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern, man müsse davon wegkommen, alles mit einem Zeitfaktor zu messen. Entscheidend sei das Ergebnis. Attraktivität der Arbeitsumgebung, auch da sind sich alle einig, ist eine Wertschätzung an die Mitarbeiter. Dazu gehöre auch der Digitalisierungsprozess, der gefühlt zu lange dauere, da jeder im Privaten schon modernere Lösungen, beispielsweise Apps gewohnt sei und dies auch geschäftlich erwarte.

„Haus der Immobilie“

Knut Bauer spricht Rolf Gerlach dann auch auf das geplante „Quartier Weststadt“ an. Dort soll gezeigt werden, dass Räume immer aktiver und gleichzeitig wohnlicher gestaltet werden. „Living soll spürbar werden. Das hat es verdient, sichtbar zu werden“, so Gerlach von Chairholder GmbH & Co. KG. Bald soll mit der Umsetzung begonnen werden, die Fertigstellung des „Haus der Immobilie“ ist für Anfang 2019 geplant. Es soll die Kompetenz „Rund ums Bauen“ unter ein Dach bringen.

Abschließend geht die Runde noch auf die Sicherheit der Arbeitsplätze ein. Dirk Müller, Hartmann-exact KG, ist sich sicher, dass es nach wie vor Unterstützung durch Roboter aber ab auch viel Handarbeit geben wird. Dr. Irmgard Neuper erklärt, dass Catalent in Schorndorf wachsen will und eine Automatisierung angestrebt wird, um mit der bestehenden Mannschaft das Wachstum zu stemmen. Dennoch seien bei Catalent in diesem Jahr noch rund 60 freie Stellen zu besetzten.

Für Wilfried Porth von Daimler ist es ganz klar, dass man immer Arbeitnehmer braucht. Es sei klar, dass man sich mit gewissen Veränderungen auseinandersetzen müsse, aber wenn man das gut mache, werde man weiterhin Beschäftigte haben. Wenn man das schlecht mache, dann werde man ein Problem bekommen.