Stadtnachricht

Kämpferinnen und Kämpfer für die Meinungsfreiheit


Sie beweisen Mut und setzen mit ihrer Haltung ein Zeichen für die Freiheit: Die couragierten Preisträgerinnen und Preisträger.
Sie beweisen Mut und setzen mit ihrer Haltung ein Zeichen für die Freiheit: Die couragierten Preisträgerinnen und Preisträger.

Vergangenen Sonntag zeichnete die Palmstiftung e.V. zum achten Mal in Folge gleich zwei Preisträger mit dem Johann-Philipp-Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit aus. Dieser ist mit 20.000 Euro dotiert. Mit der Melodie des deutschen Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ eröffnete Cellist Jonas Palm die Veranstaltung mit rund 350 Gästen in der Barbara-Künkelin-Halle. „Mut zu haben, Missstände anzuprangern, Machthaber herauszufordern und persönliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen, das verbindet die Preisträger mit dem vor 250 Jahren in Schorndorf geborenen Johann Philipp Palm“, betonte Ulrich Palm in seiner Eröffnungsrede. „Meinungs- und Pressefreiheit sind die vierte Gewalt im Staat und Indikatoren für eine funktionierende Demokratie“, ergänzte Oberbürgermeister und Mitglied des Kuratoriums Matthias Klopfer. Er sprach den couragierten Preisträgern gleich zu Beginn für deren klare Haltung seinen Respekt aus.

„Bewahre Hoffnung Burundi“

Nach dem gescheiterten Putschversuch im Mai 2015 wurde die Jagd auf die Gegner des burundischen Staatspräsidenten Nkurunziza eröffnet. Seither befindet sich das afrikanische Partnerland Baden-Württembergs mehr denn je in einer politischen und sozialen Krise. 10.000 Männer wurden inhaftiert. 300.000 Burunder waren gezwungen ihr Land zu verlassen. So auch Inès Gakiza, die sich bereits einen Namen als furchtlose und kritische Journalistin erarbeitet hatte und über Menschenrechtsverletzungen berichtete. Sie fand zunächst Schutz im benachbarten Ruanda. Die einzige verlässliche Nachrichtenquelle in Burundi, der Radiosender „Radio Republique Africaine“, sei zerstört worden, berichtete Bruno Brommer, ehemaliger Botschafter Burundis in seiner Laudatio auf Inès Gakiza. Die 29-Jährige habe jenen eine Stimme gegeben, die keine mehr haben. So arbeitet sie auch weiter aus dem Exil. Seit März dieses Jahres lebt sie auf Einladung der Stiftung für politisch Verfolgte in Hamburg.

„Der Preis ist eine Anerkennung für die Arbeit der Journalisten, die wahren Kämpfer der Feder und eine Ermutigung für alle, die gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen“, bedankte sich die Radiojournalistin für die Auszeichnung. Sie rief die Bevölkerung Burundis auf Hoffnung zu bewahren und wünscht sich, im nächsten Jahr zumindest vom benachbarten Ruanda aus ihre Arbeit fortsetzen zu können.

„Ein Horrorjahr für die Türkei“

Im Südosten, dem kurdisch besiedelten Teil der Türkei, herrscht seit Anfang dieses Jahres ein Klima der Angst. Die Armee ging mit großer Härte gegen die Kurden vor, die Infrastruktur und Häuser wurden zerstört, tausende Menschen flüchteten aus ihren Wohnungen, so schilderte Christiane Schlötzer, stellvertretende Ressortleiterin bei der Süddeutschen Zeitung, das „Horrorjahr für die Türkei“. Hinzu kam ein erfolgloser Putschversuch im Juli, der einen andauernden Ausnahmezustand hervorrief. „Unter solchen Umständen zum Frieden aufzurufen, verlangt Mut und die Überzeugung, dass es eine Alternative zur Gewalt in diesem Konflikt gibt“, machte Schlötzer deutlich. Die Petition, die neben mehr als 2.000 Menschen auch die ausgezeichneten „Akademiker für den Frieden“ unterzeichnet haben, verkörperte eine klare Haltung: „Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein.“ Mit der Erklärung forderten die Unterzeichner die Einstellung der Kämpfe und die Respektierung der Grund- und Menschenrechte. Die Unterzeichner der Petition wurden daraufhin zur Zielscheibe der Regierung Recep Tayyip Erdogans und erfuhren Entlassungen, Anzeigen, Disziplinarverfahren, Hassinitiativen oder gar Todesdrohungen. Stellvertretend für die „Akademiker für den Frieden“ nahmen vier Vertreter der Aktivistengruppe den Palm-Preis entgegen: Muzaffer Kaya, Soziologieprofessor, aus dem Dienst entlassen, Meral Camci, ebenfalls ehemalige Professorin, Halil Ibrahim Yenigün, entlassen von der Wirtschaftsuniversität und Zeliha Gizem Sayin, Juristin im Dienste der Universität in Istanbul. Die Preisträger, die bereits mit dem Achener Friedenspreis ausgezeichnet wurden, stehen für mehr als nur Meinungsfreiheit. „Sie stehen für Forschungs- und Bewegungsfreiheit, Freiheit der Lebensstile und das Recht auf körperliche Unversehrtheit“, sagte Christiane Schlötzer. „Länder, die sich im Wohlstand befinden, müssen sich mit den Problemen der ,einen Welt’ beschäftigen. Die Menschheit ist ein Ganzes“, - mit diesen Worten rief Muzaffer Kaya zu mehr Solidarität auf. „Ich wünsche mir eine Welt, in der es nicht mehr nötig sein wird, Preise wie diesen überhaupt zu vergeben.“

Den Festvortrag hielt Hubert Spiegel, leitender Redakteur, Deutschlandkorrespondet des Feuilletons bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung FAZ. Er stimmte nachdenkliche Töne an im Zuge der Trump-Wahl und des Brexits: „Was uns bevorstehen könnte, ist eine Renaissance der politischen Desinformation und der Propaganda. Desinformationsmaßnahmen haben die amerikanische Wahl ebenso wie den Ausgang des Referndums über Englands EU-Zugehörigkeit in erheblichem Maße beeinflusst.“ Das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit stehe heute, 250 Jahre nach der Geburt von Johann Phlipp Palm, in vielen Teilen der Welt vor weit größeren Herausforderungen, als Palms Nachfolger es ahnen konnten.