Stadtnachricht

Erfindungen made in Schorndorf


Die zweimal jährlich stattfindende Veranstaltungsreihe „Unternehmens-Einblicke“ des FachbereichsWirtschaftsförderung und Grundstücksverkehr fand vergangenen Montag bei PBinnova in der Steinwasenstraße statt. Der leidenschaftliche Tüftler Klaus-Peter Beer gründete die Firma, nachdem
er in den Ruhestand getreten war. Seit drei Jahren sorgt er nun mit seiner Erfindung „Hand und Fuß“, einer Strumpfanziehhilfe, die er zum Patent angemeldet hat, für Furore. Mit Patentanwalt Gottfried Dieter Müller und Moderatorin Agnes Baldauf sprach er vor rund 60 Gründungsinteressierten
und jungen Unternehmern über seine Patentanmeldung, seine Firma und die Gründung einer „Ideenmanufakur“. Zu Beginn des Abends begrüßte Erster Bürgermeister Edgar Hemmerich die Gäste und gratulierte Klaus-Peter Beer zu seinen genialen Ideen: „Eigentlich haben alle Ihre
Entwicklungen Hand und Fuß.“

Unternehmens Einblicke PBinnova
Agnes Baldauf moderierte den Abend mit Gottfried Dieter Müller (m.) und Klaus-Peter Beer. Foto: Krabbe

Eigene Erfahrungen als Antrieb

Die Idee zu „Hand und Fuß“ hatte Klaus-Peter Beer, als er nach einem Fahrradunfall in der Reha war und sah, wie die anderen Patienten sich mit den vorhandenen Anziehhilfen abmühten oder auf die Krankenschwestern warten mussten, um Socken angezogen zu bekommen. Er tüftelte in enger
Absprache mit Betroffenen und Ärzten an einer verbesserten Version und meldete sie schließlich auch zum Patent an. Die Rückmeldungen
von Patienten und Medizinern waren Beer extrem wichtig. „Ein Arzt sagte mir, dass viele Patienten nur einen Arm benutzen könnten, so wurde daran getüftelt, wie man das verbessern kann“, erzählte Beer. Während der Prototyp in Gelb und Schwarz noch verdächtig an Biene Maja erinnerte
und recht einfach verarbeitet war, ist „Hand und Fuß“ heute sehr hochwertig und auch schön anzusehen. „Mir war wichtig, dass es kein animalisches Rehaprodukt ist, sondern auch etwas hermacht“, betonte Klaus-Peter Beer. Inzwischen wird mit Bambus oder Acryl gearbeitet. Produziert wird in Berglen in der Schreinerei Markus Hildenbrand statt in China. Die Feinteile werden in der JVA Schwäbisch Gmünd gefertigt. Erich Schmid vollendet bei PBinnova dann das Produkt mit dem Siebdruck „Prima, ohne Qual – einfach genial“, zwei Füßen und den Kontaktdaten.

Flexibilität durch Handarbeit

Auf Spezialanfertigungen kann schnell und präzise eingegangen werden, denn alle Teile entstehen in Handarbeit und lassen sich individuell
anpassen und austauschen. So wurde zum Beispiel einmal über Nacht eine Anziehhilfe für ein Kind gebaut. Durch eine MDR Sendung, die über Beer
berichtete, wurde auch die VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ auf den schwäbischen Tüftler aufmerksam, die Verantwortlichen lud ihn ein. Ein Deal kam leider nicht Zustande, Beer schlug ein Angebot von Vural Öger, 100.000 für 51 Prozent Firmenanteile, aus. Doch die Bekanntheit des Produktes
wurde dadurch gesteigert. Klaus-Peter Beer: „Bisher konnte man Hand und Fuß nur bei mir direkt beziehen, in Zukunft werden wir auch über Amazon vertreiben.“ Eine echte Erfolgsgeschichte mit einer Erfindung made in Schorndorf.

Ideenmanufaktur

In der Ideenmanufaktur von Klaus-Peter Beer sollen erfahrene Menschen und interessierte Jungtüftler zusammen kommen und gemeinsam, freiwillig und ohne Kommerzansprüche an Neuentwicklungen arbeiten. „Wir wollen nicht nur reden, sondern einfach machen“, fasst Beer seine Idee zusammen. Neugierige und Interessierte dürfen sich gerne bei ihm unter Telefon 4750590 melden.

Zahlen zu Patentanmeldungen

Im vergangenen Jahr 2016 wurden in Deutschland über 67.000 Patente angemeldet, über 35.000 Prüfungsverfahren wurden abgeschlossen und mehr als 15.000 Erteilungen veröffentlicht. Baden-Württemberg liegt mit 14.374 Patentanmeldungen im Bundesländervergleich an zweiter Stelle nach Bayern mit 15.867 Anmeldungen. Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern kommt auf 105. Auch zwei von den drei aktivsten Patentanmeldern, Robert Bosch GmbH und Daimler AG, haben ihren Sitz im „Ländle“.

Unterschied Patent und Marke

Wichtig ist, zwischen Patent und Marke zu unterscheiden. Ein Patent ist ein Schutzrecht für technische Erfindungen. Das technische Gebiet ist hier eine Voraussetzung. In Grenzfällen kann auch Software patentiert werden. Eine Marke kennzeichnet ein Produkt. Aber auch Dienstleistungen können eine Marke werden. Häufig werden Fantasiefirmennamen als Marke eingetragen. Zu beachten ist, dass die Marke nicht beschreibend sein darf, man darf also nicht „Bier“ für Bier schützen lassen. Wer seiner Firma den Eigennamen gibt, hat nichts zu befürchten. Dieser darf immer verwendet werden, selbst wenn man Robert Bosch heißt. Fantasienamen sollten immer erst geprüft werden, bevor man sie verwendet. Patentanwalt Gottfried Dieter Müller empfiehlt hierfür das Patentinformationszentrum des Regierungspräsidiums Stuttgart im Haus der Wirtschaft. Dort kann man sich neutral, umfassend und kostenlos über alle gewerblichen Schutzrechte informieren. Anschließend kann dann gegebenenfalls ein Patentanwalt aufgesucht werden.

Patent nicht offenbaren

Bis ein Patent beim Patentamt zur Anmeldung liegt, ist es nicht geschützt. Deswegen dürfen Ideen, die patentiert werden sollen, auf keinen Fall vorher offenbart werden. Denn dann ist es nicht mehr neu. Wenn aber doch die Notwendigkeit besteht, einem Dritten von der Erfindung zu berichten,
sollte zur eigenen Absicherung ein Geheimhaltungsformular unterzeichnet werden.

Ablauf einer Patentanmeldung

Patentanwalt Müller erklärte den Gästen den Ablauf einer Patentanmeldung. Nachdem der Erfinder zu ihm als Patentanwalt kommt, wird ein  Anmeldeantrag ausgefüllt und von ihm ausgearbeitet. Dieser geht dann zurück an den Erfinder, der alle Angaben kontrollieren muss. Mit Zeichnungen
der zu patentierenden Sache versehen, werden die Unterlagen dann beim Patentamt eingereicht. Nach circa acht bis zehn Monaten erhält man einen Zwischenbericht über den aktuellen Stand. Eine Patentanmeldung bleibt 18 Monate lang geheim, dann wird sie offengelegt, also veröffentlicht. So kann sich die Öffentlichkeit über den Stand der Technik informieren. Der Zeitraum der Geheimhaltung gibt dem Erfinder die Möglichkeit, die Anmeldung weiterzuverfolgen oder noch vor Erscheinen der Offenlegungsschrift zurückzuziehen. Nach Erteilung eines Prüfungsauftrags
wird von einem Patentprüfer der für die Erfindung erforderliche Stand der Technik ermittelt und überprüft, ob ein Patent erteilt werden kann. Nach erfolgreicher Prüfung der Patentanmeldung kann dann ein Patent erteilt werden. In der Regel dauert das zwei bis drei Jahre. Allerdings ist bereits der Tag der Anmeldung relevant, denn ab diesem Tag können eingereichte Anmeldungen der gleichen oder einer ähnelnden Erfindung von Dritten nicht mehr zu einem Patent führen. Ein Patent schützt maximal 20 Jahre ab dem Tag der Einreichung. Das Eintragen einer Marke geht da deutlich
schneller, hier hat man meist nach ein paar Monaten bereits die Entscheidung vorliegen. Zusätzlich gibt es dabei die Möglichkeit, mit einer Sonderzahlung den Prozess auf wenige Wochen zu verkürzen. Eine Marke muss alle zehn Jahre verlängert werden.

Reger Austausch

Die anwesenden Jungunternehmerinnen und -unternehmer und Gründungsinteressierten waren sichtlich neugierig und stellten allerlei spannende Fragen. Manche ganz allgemein, manche sehr speziell. Gottfried Dieter Müller beantwortete sie alle – entweder direkt in der Gesprächsrunde oder anschließend im persönlichen Gespräch.