Menschen in Schorndorf: Margarete Schneider
aus Schornbach leitet die Schorndorfer Hospizgruppe
05.11.2009
Dürfen wir vorstellen: Das sind sie, die Menschen in Schorndorf. Manche sehr bekannt, manche gar nicht. Alte und Junge, Männer und Frauen, Hiesige und Reigschmeckte. Sabine Reichle und Renate Seibold-Völker stellen sie Ihnen vor. Lassen Sie sich überraschen. Treffen Sie hier alte Bekannte und lernen Sie neue Gesichter kennen.
Im Wintergarten von Margarete Schneider kann man fast vergessen, dass es heuer früh kalt geworden ist. Die Morgensonne heizt das Zimmer auf, man sitzt bei Espresso mit Keksen, freut sich an den Blumen im Garten und plaudert ein bisschen mit dieser Frau, die sich ehrenamtlich um Sterbende kümmert. Nein, da kommt kein tristes Novembergefühl auf oder gar hilfloses Schweigen. Das Sterben gehört zum Leben, "wir haben das nur manchmal vergessen", sagt Margarete Schneider.
Margarete Schneider leitet die Schorndorfer Hospizgruppe, eine Gruppe innerhalb der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis. Angefangen hat sie diesen Dienst, als sie mit 68 Jahren in den Ruhestand ging. "Das kann es ja nicht sein, dass ich nur noch im Garten und im Haus arbeite." Dabei hatte Margarete Schneider durchaus schon eine Lebensstrecke hinter sich, die nicht aus Ausruhen bestand.
Geboren und aufgewachsen ist die 1935 Geborene in Schornbach. Den Vater, im Krieg vermisst, hat sie nie kennengelernt. Ihre Mutter stirbt an Krebs als Margarete 12 Jahre alt ist. Margarete Schneider erinnert sich noch gut daran, wie die Nachbarn ihr während der Krankheitszeit der Mutter rieten: "Du musst nur beten, dann wird sie wieder gesund". Als die Mutter dann gestorben war, hieß es: "Jetzt geht s ihr gut". "So ein Geschwätz", entfährt es heute noch Margarete Schneider. Es war nicht einfach, sagt sie, "aber ich bin stark geworden in dieser Zeit".
Margarete Schneider macht eine kaufmännische Ausbildung, anschließend geht sie an die Fachschule für Sozialarbeit, will Erzieherin werden. Die Liebe aber führt sie statt in ein Heim oder Kindergarten in ein Café und Konditorei nach Stuttgart-Feuerbach. Margarete Schneider heiratet den Mann, der schon als Bub nach dem Bombenangriff auf Schorndorf in ihrem elterlichen Haus einquartiert war. Von 1961 bis 1993 betreiben die beiden das Café. Margarete Schneider hat im Betrieb "alles gemacht" und war der Mittelpunkt einer "Großfamilie". Zu den eigenen drei Kindern saßen die Angestellten mit am Tisch. Ihre soziale Ader konnte sie auch hier ausleben. "Sie glauben nicht, was ein Café für eine Institution ist". Oft hatte sie an der Theke Zettel hängen, auf denen kleine Informationen über ihre Stammgäste hingen: Wer hat Geburtstag, von welcher Frau ist der Mann gerade gestorben, wer hat Enkelkinder bekommen?
Und im Ruhestand jetzt die Arbeit in der Hospizgruppe. Ein schwerer Dienst, aber einer, bei dem "man auch ganz viel für sich bekommt". "Man lebt bewusster", sagt Margarete Schneider, die es sich mit ihren meist weiblichen Kolleginnen zur Aufgabe gemacht hat, den Sterbenden ein Stück Leben zu geben. Lebensqualität auch im Sterben das sind oft kleine Dinge: Manchmal reicht es, wenn da nur jemand am Bett sitzt, die Hand hält, etwas vorliest, betet, singt oder einfach zuhört. "Wir sind nur da", beschreibt Margarete Schneider die Arbeit der Hospizmitarbeiterinnen. Da sein, wenn keine Angehörige mehr da sind, da sein, wenn die Angehörigen mit der schweren Aufgabe nicht mehr alleine zurechtkommen. Da sein und auch helfen und beraten: Stark gemacht hat sich die Hospizbewegung in den letzten Jahren vor allem für eine angemessene Schmerztherapie. Niemand soll Schmerzen ertragen müssen, die man lindern kann. "Manchmal herrscht noch die Einbildung, man muss reif werden fürs Sterben durch Schmerzen", weiß Margarete Schneider, die das schlicht für Unsinn hält.
Man muss sich einlassen können auf den einzelnen Menschen. Spüren, was gebraucht wird und sich sehr oft auch um die Angehörigen kümmern. Ihnen die Angst nehmen vor dem Sterben, Ruhe in oft hektische Situationen bringen und Ammenmärchen aus der Welt schaffen: "Leichengift gibt es nicht", sagt Margarete Schneider und lächelt dabei. Man darf einen toten Menschen ruhig anfassen. Und der Tote muss nicht sofort aus dem Haus geschafft werden, so er denn das Glück hatte, zu Hause gestorben zu sein. 48 Stunden darf er dort bleiben, wo er gestorben ist. Eine Zeit, die man nutzen kann, meint Margarete Schneider. Abschied nehmen, zur Ruhe kommen, dem Sterben dabei seine Würde geben.
Auch für sie ist es jedes Mal ein Abschied. Hospizarbeit ist keine Arbeit, die man ohne Pause erledigen kann. Margarete Schneider nimmt sich die Zeit. Dann geht sie in ihren Garten, töpfert, liest, verbringt Zeit mit ihrem Mann, der ihre Arbeit sehr unterstützt.
Wie sie selber mal sterben will? "Eine schwierige Frage", sagt sie zunächst. Und hat dann doch schnell eine Antwort: "Bewusst und nicht alleine". Obwohl, fügt sie hinzu: "Man kann sich das ja nicht immer aussuchen. "Jeder stirbt das erste Mal."
Margarete Schneider lebt mit ihrem Mann in Schornbach. Die 74-Jährige leitet die Schorndorfer Hospizgruppe der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis. Seit 15 Jahren gibt es die Gruppe in Schorndorf, die sich um sterbende Menschen kümmert. Derzeit sind elf Frauen aktiv. Bundesweit engagieren sich rund 80 000 Menschen in der Hospizbewegung.
Infos zur Hospizarbeit im Rems-Murr-Kreis unter Tel. 07151/9591950 oder im Internet unter www. hospiz-remsmurr.de.