Gedenkfeier auf dem Alten Friedhof
19.11.2009
Bei der Gedenkfeier zum Volkstrauertag auf dem Alten Friedhof stellte OB Klopfer zu Beginn Krieg und Frieden einander gegenüber: "Frieden ist vielgestaltig, Krieg leider auch. So ist es gute Tradition, an diesem jährlichen Tag zu erinnern an Gräuel, Hass, Tod, der durch Kriege entstand und immer noch entsteht. Derzeit finden noch bis Ende dieses Monats die Veranstaltungen im Rahmen der Schorndorfer Friedenswochen statt. Über 30 Veranstalter mit vielen Diskussionen, Filmen, Lesungen und Treffen. Die Friedenswochen zeigen, dass dies nach wie vor ein Thema ist, das uns bewegt, das uns am Herzen liegt". Dass wir 70 Jahre nach Beginn des II. Weltkriegs in einer anderen Zeit leben - keine Frage, aber es sei verständlich, so Schorndorfs Stadtoberhaupt weiter, dass viele im Volkstrauertag lediglich einen in Ritualen erstarrten Tag mit immer wiederkehrender Symbolik und Worten sehen würden. "Was soll so ein Tag? Was bringt es, wir können ja eh nichts ändern am Unfrieden in der Welt? Ich bin davon überzeugt, dass Rituale wichtig sind. Es ist wichtig, dass wir den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft gedenken und einen Kranz niederlegen, um unsere Gedanken zu symbolisieren". Rituale gelte es aber auch zu durchbrechen,, stellte Klopfer fest, damit wir weiterhin aufmerksam blieben: "Wir müssen für diesen Tag ein Bewusstsein entwickeln und uns darüber im Klaren sein, dass Kriege gleich jeglicher Art keine Gewinner kennen. Wir können dabei nur verlieren".
Für Dekan Volker Teich haben diese Novembersonntage, der Volkstrauertag und der Ewigkeitssonntag, ihr eigenes Gepräge und ihre eigene, eigenartige Stimmung - herbstlich, melancholisch und nachdenklich. In den Zeilen eines Gedichts von Rainer Maria Rilke komme dies ganz besonders zum Ausdruck: "Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit". Diese Nächte, diese schwere Erde und die Einsamkeit seien es, die den Volkstrauertag seiner Meinung nach so stark prägen. Für den Volkstrauertag 2009 sind es für ihn drei verschiedene Bilder, die wie in einer Art Überblendtechnik ineinanderfließen würden, erläuterte er in seiner Rede: "Das Bild Nummer eins ist für mich der September 2009. 70 Jahre sind seit Beginn des II. Weltkriegs vergangen. Mit diesem Datum begann das Finale des schrecklichen Dramas deutscher Geschichte. Als junger Student sah ich in Jerusalem in Yad Vashem, der Gedenkstätte des Holocaust ein Bild, auf dem jubelnde deutsche Soldaten abgebildet waren, die einen Zugwaggon bestiegen mit der Aufschrift: ,Wir fahren nach Polen, um die Juden zu versohlen . Ein schreckliches Bild, das die ganze Brutalität und den Irrsinn des Dritten Reiches zeigt.
So ging im September 1939 von Deutschland eine unglaubliche Welle von Hass und Gewalt aus, die später nach Deutschland zurückschlug und unendlich viel Trauer, tiefes Leid, gefüllt mit Scham und Schuld, brachte. Am Volkstrauertag gedenken wir der vielen Toten und sprechen es noch einmal aus: Dies darf nie wieder passieren. Bei vielen Älteren kommen gerade jetzt wieder die längst verdrängten Bilder des Krieges und der Grausamkeiten wieder hoch. Sie belasten die Seele und machen das Leben schwer.
Das zweite Bild ist ein schönes Bild. 20 Jahre sind seit dem Fall der Mauer ins Land gegangen. In den letzten Wochen sahen wir Bilder, wie fremde Menschen einander umarmten, wie sie sich freuten, wie neue Gemeinsamkeit entstand. Wir staunen noch heute, wie Geschichte völlig anders verlaufen kann, als alle vernünftig denkenden Menschen es damals voraussagten. Ich selbst war ein Jahr zuvor mit meiner Familie bei meinen Großeltern in Bautzen. Auf der Rückfahrt fragten mich meine Kinder, was denn passieren würde, wenn alle auf einmal auf die Grenze zulaufen würden. Ich sagte damals, das wäre schlimm, denn dann würden die Panzer rollen. Doch es kam ganz anders. Die Menschen liefen auf die Grenze zu. Was zaghaft und klein in den Kirchen mit Kerzen und Gebeten begann, daraus wurde eine große Welle, die die Geschichte veränderte. Als Drittes denken wir heute auch an das Schicksal eines Sportlers, der mit seiner Einsamkeit, seiner Isolation nicht mehr zurechtkam und sich das Leben nahm. Viele Menschen trauern um ihn. Doch diese Menschenmassen deuten darauf hin, dass dieser Sportler für unheimlich viele Menschen steht. Der dunkle Krake Depression ist eine Krankheit unserer Tage, die immer häufiger auftritt und die viele Menschen unaufhaltsam in die Tiefe zieht. Wichtig ist es deshalb heute mehr denn je, dass wir die Einsamkeit überwinden, dass wir miteinander reden, gegenseitig aufeinander achten und einander wertschätzen".