Stadtnachricht

Ein imaginärer Flug von Stuttgart ins Remstal


Auf eine kleine Zeitreise in die 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kann man sich derzeit bei einem imaginären Flug von Stuttgart ins Remstal in der Schorndorfer Galerie für Technik begeben. Dort wurde vergangenen Freitag eine Ausstellung mit Luftbildern des Schorndorfer Flugzeugpioniers Paul Strähle eröffnet. Die teilweise bis auf einen Quadratmeter hoch vergrößerten Aufnahmen zeigen Städte wie Fellbach, Waiblingen und natürlich Schorndorf aber auch kleinere Gemeinden wie Plüderhausen, Weiler oder Urbach entlang der Rems bis hinauf nach Schwäbisch Gmünd. Das älteste Foto der Ausstellung stammt aus dem Jahr 1919.

Eröffnung der Ausstellung

Paul Ernst Strähle, der Enkel des Flugpioniers, führt heute eines der wichtigsten Luftbildarchive in ganz Deutschland. Sein Großvater Paul Strähle aus Schorndorf (Jahrgang 1893, verstorben 1985) hat unzählige Aufnahmen gemacht. Er schuf bis zum Verbot durch das damalige nationalsozialistische Regime im Jahre 1938 ein einzigartiges Archiv von mehr als 40.000 Aufnahmen von Deutschland innerhalb der Reichsgrenzen ohne Ostpreußen. Wer Paul Strähles Aufnahmen von Dresden in der Vorkriegszeit einmal gesehen hat, der weiß, warum man damals diese Stadt auch als das Elb-Florenz bezeichnet hat.

Bilder mit Seltenheitswert

Oberbürgermeister Matthias Klopfer hob in seinem Grußwort hervor, warum das Luftbildarchiv Strähle so eine besondere Rarität in Deutschland darstellt. Die meisten anderen großen Luftbildarchive wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, deshalb sei der Schorndorfer Bestand so einmalig. Die Luftbildaufnahmen zeigen in aller Deutlichkeit, wie sehr das Remstal sich im 20. Jahrhundert verändert habe. Neue Gewerbe- und Wohngebiete wurden erschlossen, neue Straßen, Wege und Gebäude gebaut.

Die Auswahl der Bilder in der Galerie, die hauptsächlich das liebliche Remstal und seine Orte zeigen, wurden von Dr. Andrea Bergler aber auch unter dem Aspekt ausgewählt, dass die Besucher auch erkennen können, welche verschiedenen Aufnahmetechniken und Perspektiven der Fotograf verwendet hat. Die BesucherInnen sehen Schrägbilder und Senkrechtbilder, Nahaufnahmen und weite Perspektiven in die Tiefe des Remstals hinein. Einfach die ganze Bandbreite der Aufnahmemöglichkeiten der Luftbildfotografie.

In zwei Filmausschnitten einer SWR-Reportage aus den 70er Jahren sieht man den Flieger selbst. Anschaulich berichtet Paul Strähle von den frühen Jahren der Fliegerei, als der Cannstatter Wasen als provisorischer Flughafen diente. Zusätzlich sind Filmaufnahmen zu sehen, die er selbst von seiner Maschine aus in den 20er Jahren von Stuttgart und dem Remstal machte.

Vom Frachtflieger zum Fotografen

Paul Strähle war im Ersten Weltkrieg ein erfolgreicher Jagdflieger (14 Abschüsse). Bereits 1919 erwarb er drei Doppeldecker vom Typ Halberstadt CL IV, weil ihm diese Maschinen für zivile Zwecke am geeignetsten erschienen. Er bekam 1921 die Lizenz für den Luftpost- und Passagierdienst Strähle auf der Linie "Stuttgart-Konstanz" und 1922 für die Linie "Stuttgart-Nürnberg". Er beförderte 825 Passagiere, 5.235 Kilogramm Post und flog insgesamt 119.712 Kilometer ohne nennenswerte Unfälle. Als die Lufthansa 1923 das Monopol für den gesamten Luftverkehr erhielt, widmete er sich nur noch der Herstellung von Luftbildern.