Stadtnachricht

Jerg Hertschlegel ist "ain schellinger Mann"


1.600 Aufständische ließ Herzog Ulrich im August 1514 auf dem Wasen vor Schorndorfs Stadtmauer antreten, um über sie Gericht zu halten. Wegen Aufruhrs waren sie gefangen genommen und angeklagt worden.

Wie sollen wir uns diese Männer vorstellen? Als grobschlächtige Landbevölkerung, ungehobelt und derb? Das wäre eine Vorstellung, die der Stadtbevölkerung jener Zeit gefallen hätte. Diese wollte sich gern als etwas Besseres von denen da draußen abheben. Das belegen sehr viele Bilder, allen voran die bekannten von Albrecht Dürer. Obgleich er seine Auftraggeber selbst mit feinstem Pinselstrich auf die Leinwand malte, fast schon wie eine Fotografie, waren seine Bauernpaare oft verzerrte Karikaturen. Das freute jene, die sich diese Bilder kauften. Mit ihnen vergewisserten sie sich ihrer eigenen Überlegenheit.

Das klingt reichlich schräg: Sich besser fühlen wollen, indem man auf anderen hinabschaut. Allerdings amüsiert man sich auch heute noch im sogenannten Bauerntheater über dümmliche Gestalten, die es im realen Leben auf dem Land schon längst nicht mehr gibt. Während im Dorf inzwischen moderne Landwirte und modisch selbstbewussten Frauen leben, agieren auf der Bühne immer noch der Bauerntrottel und sein keifendes Weib.

Konradtafel

Was die Akten verraten

Dementsprechend können wir davon ausgehen, dass die Aufständischen des "Armen Konrad" sich gar nicht so sehr von uns heutzutage unterscheiden. Ein paar Einblicke in die Lebensverhältnisse bieten uns die Akten über die Angeklagten aus dem Amt Schorndorf anno 1514, die im Schorndorfer Stadtarchiv lagern. Denn dort sind unter anderem auch die Familienverhältnisse der Aufständischen festgehalten. Selbst Patchworkfamilien sind in dieser Liste zu finden. So hat ein gewisser Mathis von Ulm, der in Heppach wohnte, "ein Frawen, die hat vier Kinder, und seyent sie seyne Stieffkynder." Es gibt zudem Angaben über die Charaktereigenschaften und den Lebenswandel dieser Männer wie etwa: "Hans Fackenday hat sich zuvor und nachher allweg ehrbarlich gehalten gegen der Oberkeit" oder "Claus Schwaiger ist ain guter arbaiter". Von Jacob Hohmocken erfahren wir, dass er ein Mann ist, "der wohl im Dorf zu leiden ist".

Bei Jerg Hertschlegel wird die Beschreibung ausführlicher und differenzierter. Er hat zwar "viel ungeschickter Worte trieben" während der Unruhen, was die Amtleute jedoch damit entschuldigen, dass er ohnehin "ain schellinger Mann" ist, was soviel bedeutet wie "aufbrausend". Andererseits ist nämlich von ihm auch überliefert: Alles, "was nach Gewalt schmeck, dem sey er feind". Vom Linden Schmid und vom Korb Bastlin wird hingegen berichtet, sie seien "zanckisch und haderisch gewesen". Utz Wonnhart wird als "zornhaft" bezeichnet und von so manch einm Mann weiß man im Dorf, er lebe "unfriedlich mit dem Weib" beziehungsweise dass er "mit seinem Weib täglichs im Zanck liegt". Auch Hans von Ödernhart und Jörg Bütelin scheinen schon von je her als Unruhestifter bekannt zu sein, denn die Bewohner "von Beutelsbach mögen es wohl leiden, dass sie nit im Flecken seien".

In manchen Fällen ist dabei Alkohol im Spiel. Wolf Hannelin etwa "ist ain Mann, der nit gern arbeitet, sondern gern beym Wein liegt", Conrat Wolff wird ausfällig, "wann er zuviel druncken" hat, und Korb Bastlin ist gar ein "voller trunken Mann" und seine Familie lebt von Almosen. Im Hause Duß in Rudersberg scheinen die Verhältnisse ebenfalls nicht zum Besten zu sein, denn es "ist kein Glaube bei ihnen".

Verbaler Einsatz

Die meisten der Aufständischen haben sich verbal für die Sache des "Armen Konrads" eingesetzt. Die Kirchweih in Untertürkheim am 28. Mai bot da eine gute Gelegenheit zum überregionalen Austausch mit den Bewohnern anderer Gemeinden. Der Herzog wusste um die Gefahr und verbot den Besuch für Auswärtige. Aber daran hielten sich nicht alle. Es muss durchaus laut und heftig zugegangen sein, als sie sich versammelten, um die Lage zu diskutieren und das künftige Vorgehen zu planen. So hat etwa der Grunbacher Hans Fritz bezüglich der neuen Steuern "viel Geschrays geführt" und gesagt, "man soll dem Herzog nichts geben". Hans Gleser "hat den Bauern zugeschrieen, sie sollen keck sein". Und sie haben einander Treueschwüre "mit ufgehebten Fingern" geleistet.

Als es darum ging, zum angekündigten Landtag Abgeordnete aus den Dörfern nach Stuttgart zu entsenden, begehrten die Aufständischen, dass diese nicht vom Schultheiß des jeweiligen Dorfes bestimmt, sondern aus und von der gesamten Einwohnerschaft gewählt werden sollten. Überdies beteiligten sie sich an der unblutigen Besetzung der Amtsstadt Schorndorf, nahmen der Obrigkeit die Schlüssel für die Stadttore ab und hielten dort Wache.

Freilich gab es auch temperamentvollere Einzeltaten, nicht zuletzt, nachdem die Lage allmählich eskalierte. Da ist Utz Wonnhart nächtens in sein Heimatdorf Geradstetten "hinein geritten kommen und hat zu den Wächtern, die zunachts gewachet haben, gesagt, man könnt das Geld nit geben und den Eid nit tun", das heißt, man müsse die Steuer und die Bestätigung des Tübinger Vertrags verweigern, "und er wölle die Gassen hinab reiten und die Leut aufwecken." Die Sturmglocke zu läuten, war ebenfalls ein beliebtes Mittel, um die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner zu erringen. Von den Schultheißen wurde das freilich streng verboten.

Proviant organisiert

Nachdem der Herzog die Vertreter der Bauernschaft, die nach Stuttgart zum Landtag gegangen waren, völlig ignorierte, waren die Männer über diesen Affront aufgebracht und bereit, in den bewaffneten Kampf "mit Wehr und Harnisch" gegen die Regierung zu ziehen. Der Wagenhans organisierte daher "viele Spieße von Straßburg, desgleichen Büchsen von Nördlingen", die er an die Aufständischen verkaufte. Außerdem musste Proviant für die Männer, die sich auf dem Kappelberg versammelten, besorgt werden. Deshalb ist ein Mann namens Contz aus Weiler in den Spitalkeller eingebrochen" und verlangte, "dass man ihm zu Mitternacht Wein aus dem Keller hat müssen geben".

Wein und Brot

Auch ans Kloster Adelberg wandten sich die Männer mit der Aufforderung, dass man ihnen zwei Wagen mit Wein und zwei mit Broten schicken soll. Der Abt weigerte sich allerdings hartnäckig mit den Worten, "er wisse sein Brot und Wein höcher und besser zu verkaufen" statt ihnen zu schicken. Daraufhin sandten die Anführer erneut einen Boten und wurden deutlicher: "Wann ers ihnen dann nit schick, wollen sies selbs holen", und zwar so, dass er gewünscht hätte, er hätte es ihnen freiwillig geschickt. In seiner Not schrieb der Abt an den Vogt und bat um militärischen Schutz.

Info: Exkursion und Führungen

Für alle Geschichtsbegeisterten, die das Gesamtkonzept der interkommunalen Ausstellung "500 Jahre Armer Konrad" der Städte Fellbach, Weinstadt, Schorndorf und Waiblingen an einem Tag erleben wollen, bietet Projektkoordinatorin Dr. Katja Nellmann am Mittwoch, 24. September eine Exkursion an. Die Teilnehmer zahlen 15 Euro inklusive Eintritt und Führungen. Dazu kommen eine Tageskarte für den VVS und rund zwei Euro für ein Sammeltaxi auf den Kappelberg bei Beutelsbach. Anmeldung unter 0176-40160310 oder unter service(at)armerkonrad2014.de. Noch bis 28. September gibt es sonntags um 14 Uhr allgemeine Führungen im Stadtmuseum Schorndorf. Stadtführungen mit dem Anführer des "Armen Konrad", Caspar Pregatzer, gibt es für Gruppen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen auf Anmeldung bei der Stadtinfo unter Telefon 07181 602-140. Kosten: 60 Euro für bis zu 20 Personen. Ebenfalls permanent läuft das museumspädagogische Programm für Kinder und Jugendliche. Alle Angebote des museumspädagogischen Programms können unter der Telefonnummer 07181 602-181 gebucht werden.