Stadtnachricht

Barbara-Künkelin-Preis für Enja Riegel


Enja Riegel und OB Matthias Klopfer

In einer Zeit, in der die Schulpolitik und die damit verbundenen nötigen Reformen, in denen Fragen nach dem staatlichen Bildungsauftrag sowie der Wertevermittlung, die Gesellschaft bewegen, entschied sich das Preisgericht der Stiftung für Enja Riegel als würdige Trägerin des Barbara-Künkelin-Preises 2010.

Oberbürgermeister Matthias Klopfer hat ihr in der gut besuchten Barbara-Künkelin-Halle den nach der Schorndorfer Stadtheldin benannten Preis am vergangenen Sonntag überreicht.

Enja Riegel hat als Rektorin der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden Ende der 80er Jahre mit Weitblick und Ausdauer eine grundlegende Schulreform in die Praxis umgesetzt. Ihr ins Auge gefasstes Ziel in die Realität umzusetzen, wurde ihr nicht leicht gemacht. Die Pädagogin musste sich sowohl gegen Widerstände innerhalb der Schule, als auch gegen Widerstände aus Politik und Elternschaft durchsetzen.

Unter ihrer Regie hat die Helene-Lange-Schule sich zu einer Modellschule mit Vorbildcharakter entwickelt. Lehrer unterrichten dort in Teams und sind über Jahre für ihre Schüler verantwortlich.

Sogar in der PISA-Studie wurde die Schule als Vorbild gepriesen und erhielt den Schulpreis 2007.

Das Preisgericht befand in Zeiten, in denen die Qualität von Schule und das Gelingen von Lernen zum Politikum geworden ist, das Wirken von Enja Riegel ganz im Sinne des Barbara-Künkelin-Preises in die Zukunft gerichtet. Sie hat ihre Reform gegen den Zeitgeist umgesetzt. Riegel ist bereits die 14. Preisträgerin.

Dr. Wolfgang Beutel, der den wegen eines Todesfalles in der Familie verhinderten ursprünglich eingeplanten Laudator Dr. Peter Fauser von der Universität Jena vertrat, trug dessen Gedankengut vor. In der Laudatio war zu hören, dass Enja Riegel den Mut besessen hat, ein Gymnasium quasi in eine Gesamtschule umzuwandeln. Riegel habe mit ihrer Reform gewagt, "eine heilige Kuh" des deutschen Bildungswesens zu schlachten, die Vorwürfe seien dadurch schon vorprogrammiert gewesen.

Die anerkannte Pädagogin, zitierte Beutel weiter aus Fausers Laudatio, erhebe ihre Stimme öffentlich, zeige öffentlich Gesicht und weiche nicht aus - auch nicht in der zurzeit aktuellen Diskussion über Missbrauch an Schulen. Dass dem so ist, stellte die frisch gekürte Preisträgerin bei ihrem Schlusswort gleich unter Beweis. Sie machte keinen Hehl daraus, dass in ihrer Zeit an der Helene-Lange-Schule auch ein Fall von Missbrauch vorgekommen sei.

Sie habe sich damals überlegt, ob man das Vergehen zur Anzeige bringe, habe aber, auf Drängen der Eltern hin, jedoch darauf verzichtet. Heute, stellte Riegel fest, würde sie ohne zu zögern die Staatsanwaltschaft informieren. Dem damaligen Kollegen, dessen Leistungen als Pädagoge stets außer Zweifel standen, habe sie später verziehen, ja sogar die Trauerrede an seinem Grab gehalten. Sie sei der Auffassung, dass man jedem Menschen, der lange genug Reue zeige, verzeihen sollte.

Auch in der Laudatio wurde das aktuelle Zeitgeschehen nicht ausgeklammert: "Wir befinden uns mitten in einer Krise der Erziehungsverhältnisse, in der man nicht schweigen darf. Es geht darum konkrete Vergehen Einzelner aufzuklären und zu ahnden." Das sei man den Missbrauchten schuldig. Um künftig so etwas verhindern zu können, müssten nun endlich und dringlich Reformen in Schule und Lehrerbildung in Gang gesetzt werden. Enja Riegel habe gezeigt wie man das umsetzten kann, denn solche Reformen seien ein wesentlicher Bestandteil ihrer Lebensarbeit und Lebensleistung. Es seien die Früchte ihres Mutes, für die sie mit dem Barbara-Künkelin-Preis ausgezeichnet werde.

Dr. Holger Dietrich, der erste Vorsitzende des Schorndorfer Heimatvereins, betonte in seinem Grußwort, dass es für Erziehung noch immer keine Patentrezepte gebe. "Der Blick in die Geschichte lehrt - immer schon gab es Schulen, die ihrer Zeit voraus waren und wegweisend für kommende Generationen wirkten. Man mag bei Sokrates anfangen und über Jan Comenius, dann über die Reformpädagogik zur Helene-Lange-Schule kommen, seit bald 3.000 Jahren diskutiert der Mensch, was die richtige Bildung ist und mit welchen Methoden sie erworben werden kann." Enja Riegel habe einen Weg aufgezeigt, wie Schule anders funktionieren kann. Er wünsche sich nur, dass alle an der Erziehung Beteiligten, ihrem Beispiel folgen mögen.

Wie noch bei keiner Künkelin-Preiverleihung in den letzten 26 Jahren wurde dieses Mal der musikalische Teil großgeschrieben. Angefangen vom Entree mit klassischer Musik durch das Sreichquartett der Jugendmusikschule, über das Geburtstagsständchen für OB Klopfer, der am Sonntag 42 wurde, gefolgt vom gemeinsamen Singen mit Hans-Günther Schlosser von der Helene-Lange-Schule bis hin zum krönenden Abschluss durch die Viertklässler der Künkelinschule mit ihrem Singspiel, in deren Mittelpunkt das Lied der Gruppe "Wendrsonn" mit dem Titel "Woisch no wie s früher war" stand.

Auch tänzerisch hatten die Jungen und Mädchen, einstudiert von ihrer Lehrerin Martina Helm, einiges zu bieten. Der gelungene Auftritt wurde daher auch verdientermaßen mit großem Beifall belohnt.