Stadtnachricht

Festhalle Haubersbronn wird Notunterkunft für Flüchtlinge


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Sehr viele Bürgerinnen und Bürger waren am Montagabend in die Festhalle Haubersbronn gekommen, um sich über die aktuelle Situation zu informieren.

Die Festhalle Haubersbronn wird ab Ende August vorübergehend zur Notunterkunft für 40 bis 50 Flüchtlinge. Ab Beginn der Unterbringung werden die Männer drei Monate im Schorndorfer Stadtteil bleiben und anschließend auf andere Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Am Montagabend informierten Stadtverwaltung und Landratsamt Rems-Murr-Kreis in der Festhalle umfassend über die aktuelle Situation und die hohe Dringlichkeit, die zu dieser äußerst kurzfristigen Notlösung geführt hatte.

Großer Andrang

Der Andrang war groß, rund 400 Bürgerinnen und Bürger waren in die Festhalle gekommen. „Ich werbe aktiv um Humanität“, schickte Oberbürgermeister Matthias Klopfer voraus und wehrte sich damit gegen die Unterstellung, die Stadt Schorndorf werbe geradezu um die Zuteilung von Flüchtlingen. Diese und weitere, zum Teil heftige Aussagen seien über die sozialen Netzwerke aber auch an ihn persönlich herangetragen worden, seit die Stadt Ende der vergangenen Woche bekanntgegeben hatte, dass Flüchtlinge in Haubersbronn untergebracht werden müssen. Zum zeitlichen Ablauf stellte Klopfer klar, dass es erst in der ersten Juliwoche den Hilferuf seitens des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis gegeben hatte. Die endgültige Entscheidung, die Festhalle zur Verfügung zu stellen, sei erst am vergangenen Donnerstag vor der Gemeinderatssitzung gefallen. In den Tagen zuvor habe es intensive Gespräche gegeben – auch mit Ortsvorsteher Erich Bühler. „Die Stunden, die Herr Hemmerich und ich am Telefon verbracht haben, lassen sich kaum zählen“, schilderte Ortsvorsteher Bühler.

Gründe für die Entscheidung

Die Entscheidung für die Festhalle hatte mehrere Gründe, so Klopfer weiter. Zum einen sollte der Schulsport nicht ausfallen, zum anderen eigneten sich Hallen mit starker Verglasung nicht, da es auch darum ginge, die Intimsphäre der Menschen so gut es geht zu schützen. „Ich bitte Sie um Unterstützung und bin mir sicher, dass Sie in Haubersbronn mit rund 3.300 Einwohnerinnen und Einwohnern die gesellschaftliche Kraft haben, diese Situation zu meistern“, sagte Klopfer und versicherte: „Wir werden gemeinsam alles dafür tun, damit es gut funktioniert.“ So werde die Stadt selbstverständlich auch bei der Verlegung von Veranstaltungen, die in der Festhalle hätten stattfinden sollen, unterstützen: „Wir werden hier großzügig helfen.“
Erster Bürgermeister Edgar Hemmerich erläuterte anschließend, welche Vorkehrungen in den kommenden Wochen getroffen werden, damit die Halle nach den drei Monaten wieder wie bisher genutzt werden kann. „Wir werden Küche und Bühne verschließen, einen anderen Boden über das Parkett legen und die Beleuchtung austauschen.“ Zudem werden ein Küchen- sowie ein Duschcontainer an der Halle aufgestellt, um die Versorgung zu gewährleisten. „Sie sehen, wir tun alles, um die Halle im jetzigen Zustand zu halten“, betonte Hemmerich. Dass diese auch weiterhin der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Haubersbronn bleibe, dafür machte sich Ortsvorsteher Bühler stark. „Wir helfen gerne, wünschen uns aber auch Anerkennung für unser Engagement.“ Einen großen Dank für das Engagement der Stadt und des Stadtteils sprach Dr. Rosemarie Längle-Sanmartin, Dezernentin für Jugend, Senioren, Gesundheit und Soziales beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis, aus: „Wir sind sehr froh um Ihre schnelle Unterstützung. Das ist eine absolute Notsituation, sonst würden wir solche Maßnahmen nicht ergreifen.“ Eine ähnliche Hallenbelegung in Backnang sei sehr gut gelaufen und: „Wir haben Backnang pünktlich geräumt, das werden wir auch hier tun. Drei Monate sind das Limit, das sage ich Ihnen zu.“ Die Dringlichkeit unterstrich Joachim Frey, Geschäftsbereichsleiter Besondere Soziale Hilfen beim Landratsamt, mit Zahlen: 4,2 Prozent der dem Land Baden-Württemberg zugewiesenen Flüchtlinge kämen in den Rems-Murr-Kreis. Allein im Monat Juli seien dies 306 Personen gewesen. Derzeit sei davon auszugehen, dass rund 300 Flüchtlinge pro Monat in den Rems-Murr-Kreis kommen. Hinter Waiblingen und Winnenden liegt Schorndorf mit knapp 270 derzeit an dritter Stelle, was die Zahl der Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften angeht. Hinzu kommen noch die Menschen, die bereits in einer Anschlussunterkunft leben. Insgesamt beherbergt Schorndorf damit im Moment rund 300 Flüchtlinge und Asylbewerber. Oberbürgermeister Klopfer nahm auch die anderen Gemeinden in die Pflicht, alle müssten ihren Beitrag leisten. Und Dr. Rosemarie Längle-Sanmartin betonte: „Es wird demnächst keine Kommune im Rems-Murr-Kreis mehr geben, in der keine Flüchtlinge untergebracht sind.“
Für die Versorgung der Menschen, die in die Festhalle einziehen, ist das Landratsamt zuständig. Sozialarbeiter seien vor Ort, ebenso ein Hausmeister, der für die Halle zuständig ist. Außerdem werde ein Sicherheitsdienst für die Nächte und die Wochenenden engagiert. „Wir wollen gewährleisten, dass es rund um die Uhr einen Ansprechpartner vor Ort gibt“, erklärt Längle-Sanmartin. In Backnang habe man damit gute Erfahrungen gemacht. „Die Stadt wird außerdem zusätzliches Personal bereitstellen, das sich ebenfalls vor Ort um die Menschen kümmert“, ergänzte Erster Bürgermeister Hemmerich. Er wies zudem auf den Treffpunkt Asyl in der ehemaligen Schlachthofgaststätte hin, der Anfang September seine Türen öffnet und als Begegnungsstätte und Anlaufpunkt dienen soll.

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Die Festhalle wird in den kommenden Wochen für die Unterbringung umgebaut. Ein Küchen- und ein Duschcontainer werden vor der Halle aufgebaut, um die Versorgung zu gewährleisten.

Unzureichende Informationspolitik, Gutsherrenart bei der Entscheidung, die fehlende Lebensmittelversorgung direkt am Ort und die Skepsis, dass es sich bei der Unterbringung tatsächlich nur um einen Zeitraum von drei Monaten handelt, waren einige der Sorgen und Kritik, die die Menschen in der Fragerunde zum Ausdruck brachten. Andere wiederum sicherten ihre Unterstützung zu, wie Hasan Kocaman, Vorsitzender der Islamischen Gemeinde und Haubersbronner: „Wir werden mit Rat und Tat mithelfen.“ Peter Winter, der sich durch seine ehrenamtliche Arbeit für die Fahrradwerkstatt und als Sprachhelfer bereits für Flüchtlinge engagiert, appellierte ebenso wie Sprachhelferkollege Nobert Stekl an die Bürgerinnen und Bürger: „Versuchen Sie, auf die Menschen zuzugehen.“ Eine Haubersbronnerin riet den Skeptikern: „Schauen Sie sich die Bilder über die Zustände in Flüchtlingscamps in anderen Ländern an.“ Und sie empfahl ein Buch: „Ich glaube an die Tat. Im Einsatz für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak“.

Ansprechpartner

Wer helfen oder sich in den neuen Arbeitskreis Asyl einbringen möchte, kann sich an Ulrich Kommerell, stellvertretender Fachbereichsleiter Familien, Soziales, Bürgerschaftliches Engagement (Telefon 602-3303, E-Mail ulrich.kommerell(at)schorndorf.de), und die Integrationsbeauftragte der Stadt, Lea Ahrens (Telefon 602-3302, E-Mail lea.ahrens(at)schorndorf.de) oder an die Verwaltungsstelle Haubersbronn unter Telefon 602-9021 wenden. Infos gibt es auch unter www.sprachhelfer-schorndorf.de.

Wie geht es weiter?

Aufgrund der prognostizieren Zahlen suche die Stadt parallel nach weiteren Unterkünften – auch in den beiden größten Stadtteilen Haubersbronn und Weiler, erklärte Oberbürgermeister Klopfer. „Wir werden weitere Gemeinschaftsunterkünfte wie in der Wiesenstraße und im Richterweg brauchen.“ Auch viele kleinere Wohnungseinheiten für die Anschlussunterbringung müssten zur Verfügung gestellt werden.