Stadtnachricht

Politik im Rathaus: Stadträtinnen und Stadträte haben das Wort


Sind wir "Wahlbetrüger"?

Gerhard Nickel: Vor der letzten Gemeinderatssitzung haben Gemeinderäte aus den Teilorten und Ortsvorsteher auf dem Marktplatz die zur Sitzung eilenden Gemeinderäte unter anderem mit der Parole empfangen, sie seien "Wahlbetrüger", weil sie die Ortsverwaltungen abschaffen wollen. Abgesehen davon, dass eine Entscheidung überhaupt noch nicht gefallen ist, bin ich nicht bereit, den Vorwurf des "Wahlbetruges" zu akzeptieren. Ich halte ihn für vollständig daneben.

Auf Antrag der CDU-Fraktion hat der Gemeinderat beschlossen, angesichts der auch für den Schorndorfer Stadthaushalt eingetretenen massiven Finanzprobleme eine Kommission einzusetzen, die sich mit der Struktur der Stadt und den Stadtfinanzen auseinandersetzen, kurz- und mittelfristige Einsparpotenziale im Haushalt suchen und diese mit einer möglichst breiten Mehrheit umsetzen soll. Dass dieses schwierige Unterfangen nur gelingen kann, wenn unvoreingenommen alle Haushaltspositionen unter die Lupe genommen werden, liegt auf der Hand.

Wer nun aber die Keule "Wahlbetrug" schwingt und dadurch den Versuch unternimmt, jegliche Diskussion über die Ortsverwaltungen im Keime zu ersticken, erweist nicht nur den Ortsverwaltungen selbst, sondern den städtischen Finanzen im besonderen und der Diskussionskultur in unserer Stadt im Allgemeinen einen Bärendienst. In Zeiten, in denen die städtischen Finanzen nicht nur durch den erheblichen Rückgang der Gewerbesteuer, den Einbruch bei den Zuweisungen von Bund und Land sowie einer höheren Kreisumlage (Stichwort Unterkunftskosten der ARGE-Empfänger) in erhebliche Schieflage geraten werden, muss ausnahmslos jede einzelne Ausgabe auf den Prüfstand, also auch die Ausgaben für die Ortsverwaltung. Denkverbote nützen gar nichts und verbessern die städtischen Finanzen nicht um einen einzigen Cent. Dies gilt im übrigen auch für andere Bereiche wie beispielsweise Feuerwehren oder Bauhof.

Der Gemeinderat wird darüber zu diskutieren und entscheiden haben, was für die Stadt Schorndorf und ihre Bewohner wichtig ist. Wir werden entscheiden müssen, welche Schwerpunkte wir für die Stadt und ihre Bewohner setzen wollen. Dabei erwarte ich, dass der bisherige Konsens nicht aufgekündigt wird und ausnahmslos alle Fraktionen weiterhin dem Ziel verpflichtet bleiben, an der Kleinkinderbetreuung, den Kindergärten, dem Ausbau der Ganztagesbetreuung an den Schulen und der Ausstattung aller unserer Schulen nicht zu sparen. Gerade um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unserer jungen Mütter und Väter zu verbessern, werden wir hier weiter erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um hier als Stadt attraktiv zu bleiben. Hier darf sicherlich nicht gespart werden, da Investitionen in diesem Bereich sich schon deshalb lohnen, weil wir nicht nur die gut ausgebildeten Mütter und Väter, sondern auch deren - selbstverständlich gut ausgebildeten - Nachwuchs brauchen, um zukunftsfähig zu bleiben.

Selbstverständlich kann hier jeder Gemeinderat und jeder Bürger eine andere Meinung haben und diese auch vertreten. Nur so erreichen wir eine lebendige demokratische Diskussion, an deren Ende die Gemeinderäte entsprechend ihrer durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung entscheiden müssen, so wie die Gemeindeordnung es beschreibt. Nur eine offene Diskussion ohne Denkverbote kann uns alle weiterbringen. Alle Fraktionen hatten in ihren Wahlprogrammen vor der letzten Wahl sich für den Erhalt der Ortsverwaltungen eingesetzt. Dazu stehen sie auch weiterhin. Es ist aber ehrlicher, sich von Versprechen zu verabschieden, die wegen der Wirtschaftskrise, die Fraktionen ja nicht zu verantworten haben, einfach nicht mehr gehalten werden können. Wahlbetrug ist dies aber auf keinen Fall.

Sie werden sich fragen, weshalb mich der Vorwurf des Wahlbetruges so ärgert. Mir wurde auch von den Trägern des Banners bedeutet, dass ich als gewählter Stadtrat diesen Vorwurf aushalten müsse. Selbstverständlich kann ich diesen Vorwurf locker aushalten, zumal er falsch ist. Ich muss mir aber nicht alles gefallen lassen.