Stadtnachricht

Die einen wollten dabei sein, die anderen zierten sich


Erinnerungen an 1967: Rolf Rommel und Hermann Mößner (v.l.).

Ganz wohl war es dem damaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger bei der Einladung nach Schorndorf nicht. Denn nach dem Festakt am 10. März 1967, bei dem Schorndorf zur Großen Kreisstadt ernannt wurde, stand der Gang in den Schlachthof. Doch man konnte den Ministerpräsidenten beruhigen: In der nach dem benachbarten Schlachthof benannten Gaststätte, durfte sich Filbinger und mit ihm etliche Honoratioren lediglich auf ein festliches Menü freuen. Zur Feier das Tages servierte man klare Ochsenschwanzsuppe und Königspastete, Rinder- und Schweinebraten und natürlich durften die obligaten Spätzle samt Kartoffelsalat nicht fehlen.

Bedeutung und Selbstbewusstsein

Kurzweilige Talkrunde: OB M. Klopfer, Moderator K. Bauer, R. Rommel und H. Mößner (v.l.). Seitdem hat sich vieles getan in der Stadt. Es gibt nun etwa einen Oberbürgermeister - „ein schöner Job“, wie es der amtierende OB, Matthias Klopfer, beim Gespräch im Museum gerne bekannte. Mit ihm und Moderator Knut Bauer erinnerten der langjährige Schorndorfer Hauptamtsleiter Rolf Rommel und Hermann Mößner, 40 Jahre Ortsvorsteher in Miedelsbach, an die Geburtsstunde der Großen Kreisstadt Schorndorf. Schorndorf wird Große Kreisstadt, gewinnt damit an Bedeutung und Selbstbewusstsein. Was damals vor allem, so erinnert sich Rolf Rommel, für die „älteren Jahrgänge“ wichtig war. Denn sie hatten noch miterleben müssen, wie 1938 Schorndorf den Titel als Oberamtsstadt verlor. Und ganz sicher wollte man auch in Schorndorf nicht hinter den beiden anderen Großen Kreisstädten im „Altkreis Waiblingen“, Fellbach und Waiblingen zurückstehen.

Mit dem Titel verbunden ist auch ein Zuwachs an Selbstständigkeit. Schorndorf untersteht nun etwa nicht mehr der Rechtsaufsicht des Landratsamtes, sondern der des Regierungspräsidiums. Der Status als Große Kreisstadt war aber vor allem der Startschuss für eine Entwicklung, die nicht nur die Kernstadt, sondern auch die umliegenden Gemeinden erfasste. So richtig spürbar wird der Bedeutungszuwachs Anfang der 70er Jahre, als zur Kernstadt im Zuge der Eingemeindungen nach und nach die Gemeinden Buhlbronn, Miedelsbach, Haubersbronn, Ober- und Unterberken, Schlichten, Weiler und Schornbach hinzukommen.

Nicht nur ein Verwaltungsakt

Was allemal nicht nur ein Verwaltungsakt war. Zuweilen ging es da sehr emotional zu. Nicht alle Gemeinden freuten sich nämlich darauf, fortan zur großen Nachbarin zu gehören. Rolf Rommel erinnert sich noch gut an die, die „freiwillig kamen“: Buhlbronn, Miedelsbach, Weiler und Schlichten. Andere waren da allemal zögerlicher. Haubersbronn etwa, das sich arg dagegen sträubte und gar zweimal die „Ausgemeindung“ beantragte. Und das, obwohl die Fusionsprämien, die für jede Gemeinde bezahlt wurden, von Schorndorf direkt wieder in die Gemeinden überwiesen wurden. Wollten die einen partout nicht, so wären andere gerne dabei gewesen. Hößlinswart, Steinenbruck und Steinenberg etwa, die aber leider draußen bleiben mussten. Wären diese Gemeinden nämlich noch dazu gekommen, dann hätte dies das Ende der Stadt Schorndorf und die Gründung einer neuen Stadt bedeutet. Warum die einen wollten, die anderen sich zierten, das vermag heute niemand mehr so richtig sagen. Die Runde im Museum gab sich mit ihren Erklärungen angesichts der verstrichenen Jahrzehnte launig milde: „Waren die Haubersbronner näher an Schorndorf dran, wussten die mehr?“, mutmaßte Rolf Rommel. Bei einigen Haubersbronnern hallen die Zweifel bis heute nach.

Matthias Klopfer erzählte in der Runde von einem seiner ersten Hausbesuche in Haubersbronn anlässlich der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2006. Gleich an der ersten Tür begrüßte man ihn so: „Und eins sag’ I Ihnen gleich: Wir wollten nie nach Schorndorf“. Glücklicher mit der Vermählung waren allemal die Miedelsbächer, für die Hermann Mößner formuliert: „Die Entwicklungen in Miedelsbach hätten wir sonst nie geschafft.“ Von heute aus betrachtet ist es ein versöhnlicher Blick, den auch Rolf Rommel teilt: „Es war eine gute Entscheidung und die Anstrengungen wert“.

Die Kernstadt und die Teilgemeinden haben sich in den letzten fünf Jahrzehnten gut entwickelt. Heute gehören sie zu den Gemeinden, die den „Wachstumsraum“ in der Region Stuttgart bilden. In dem man längst die Orts- oder Stadtgrenzen überwinden muss, wenn man auch in Zukunft erfolgreich sein will. Vieles, so Oberbürgermeister Matthias Klopfer, „schaffen wir nur gemeinsam“: vom Hochwasserschutz bis zur Remstal Gartenschau 2019. Dabei stehen die 25 großen Kreisstädte in der Region auch in einem Wettbewerb. „Man kämpft um Aufmerksamkeit“, weiß der OB. Schorndorf punkte dabei etwa als Schulstadt und mit der „Forscherfabrik“ im Arnold Areal.