Stadtnachricht

Fleischeslust und Fegefeuer


Teatro Zanni

In Schorndorf können in diesem Jahr gleich drei historische Jubiläen und ein aktuelles gefeiert werden. Da ist zum einen die vom verstorbenen Ehrenbürger Fritz Abele eingerichtete Barbara-Künkelin-Stiftung, die 25 Jahre alt geworden ist. Bereits im Jahr 1185 wurde Schlichten - genauer Schlichtenweiler - in einer Tauschurkunde erstmals schriftlich erwähnt, als Staufer und Welfen Güter tauschen. Damit kann sich der kleine Ort auf dem Schurwald brüsten, 50 Jahre älter als Schorndorf zu sein. Die erste urkundliche Nennung der heutigen Daimlerstadt geht nämlich auf das Jahr 1235 zurück. Vor 775 Jahren schlossen der Adelige Heinrich von Waldhausen und seine Frau einen Vertrag mit dem Kloster Lorch. In dieser Urkunde wird als einer der Zeugen ein Dietrich von Schorndorf genannt. Dieser war Reichsministerialer im Dienste der Staufer. Er nannte sich nach seinem Wohnsitz, wohl dem Fronhof in der Nähe des Dorfes um die Kirche (Schorndorf Aktuell berichtete ausführlich). Das jüngste Jubiläum liegt genau 350 Jahre zurück: Die majestätische Stadtkirche wurde als eines der ersten Gebäude nach der Zerstörung der Stadt bis 1660 wieder aufgebaut und eingeweiht.

Davon berichten ausführlich die neuen Heimatblätter, das Jahrbuch für Schorndorf und Umgebung. Das handliche, 180 Seiten zählende Büchlein, wurde gemeinsam von Stadt und Heimatverein in einer Auflage von 800 Stück herausgegeben. Es ist zum Preis von zehn Euro in den örtlichen Buchhandlungen zu kaufen, Mitglieder des Heimatvereins erhalten das druckfrische Werk als Jahresgabe für ihren Mitgliederbeitrag. Die Heimatblätter wurden im Rahmen eines kurzweiligen Festakts in der Barbara-Künkelin-Halle vorgestellt. Das Publikum wurde dabei in die Welt des Mittelalters entführt, mithin in eine Welt der Gaukler, der Pest und des Todes. Aber auch der Mystik, des Glaubens und der Frömmigkeit, eine Welt der Last und des Lasters gleichermaßen. Wie eng Fleischeslust und Fegefeuer beieinanderlagen, zeigte gekonnt das stattliche Ensemble des örtlichen "Teatro Zanni" bei seinen Auftritten.

Das mittelalterliche Schorndorf hat Dr. Erwin Frauenknecht vom Landesarchiv Baden-Württemberg erforscht. Der Gemeinderat hatte dafür 10.000 Euro bereitgestellt. Seine Arbeit schmückt nicht nur den Hauptteil der Heimatblätter, sie stand auch im Mittelpunkt des Festakts. Der Forscher hatte seinen durchaus kurzweiligen Vortrag mit "von Bürgern, Bauern, Vaganten und unehrlichen Leuten" überschrieben. Die "Geburt des Fegefeuers" wird darin ebenso gewürdigt, wie die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse beschrieben werden. Laut Frauenknecht werden Form und Aussehen der städtischen Siedlung im 13. Jahrhundert nur selten in den Quellen direkt angesprochen. Man dürfe zwei Siedlungskerne annehmen. Den ersten bilde die ursprüngliche Dorfanlage mit dem Ministerialensitz des Dietrich von Schorndorf, der zweite entwickle sich aus dem "municipium", einem befestigten Ort, der erstmals 1262 erwähnt wurde.

Oberbürgermeister Matthais Klopfer dankte allen Beteiligten sehr herzlich, vorneweg Archivarin Edith Holzer-Böhm, die für den Ablauf des Abends ebenso verantwortlich zeichnete wie als Mitglied des Redaktionsbeirats für die Heimatblätter. Er zeigte sich angetan, wie hier Vergangenheit erlebbar gemacht und für die junge Generation aufbereitet wird: "Was in vergangenen Epochen gewachsen ist, bildet dem Humus für Künftiges."