Stadtnachricht

Zukunftschance für das ganze Land


Man war sich einig: Wer das Bahnprojekt Stuttgart - Ulm allein mit dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes in Verbindung bringt, denkt zu kurz. Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, und Stefan Gläser, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, sprachen sich einhellig für das Projekt aus. Die Umgestaltung des Stuttgarter Schienenknotenpunktes zu einem modernen Verkehrszentrum stelle einen Anschluss an die Hochgeschwindigkeitsstrecke Wendlingen-Ulm mit Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Landesmesse her. Pendler aus der gesamten Region würden mit der Realisierung des Bahnprojekts ihre Arbeitsplätze schneller und komfortabler erreichen, als das bisher möglich sei. "Wir dürfen die einmalige Chance, die sich für das ganze Land durch das Projekt eröffnet, jetzt nicht vertun", so Kehle. Von der schnelleren Zugverbindung zwischen Stuttgart und Ulm profitiere nämlich auch der Ländliche Raum, indem mehr Verkehr von den ohnehin zu vollen Straßen auf die Schiene verlagert werde. Aber nicht nur die Städte und Gemeinden an der Bahntrasse selbst, auch Kommunen, die an den Zuführungsstrecken liegen, gewinnen durch neue Verkehrsanbindungen an Standortattraktivität. Nicht zu vergessen der Reiz für den Tourismus: Die schnelleren Bahnverbindungen werden Übernachtungsgäste und Besucher zur umweltfreundlichen Anreise bewegen. "Voraussetzung dafür ist aber ein leistungsstarkes Schienennetz", erklärte Gläser.

Solidarbeitrag der Kommunen

Kehle und Gläser räumten darüber hinaus mit der Fehleinschätzung auf, die Städte und Gemeinden in der Region Stuttgart seien nur Nutznießer des Projekts und hätten keine Kosten. Diese Kommunen leisteten einen jährlichen Beitrag, der über den Verband der Region Stuttgart in die Finanzierung des Projektes einfließt. Der Solidarbeitrag der Kommunen trage somit zur Komplementärfinanzierung bei, die von der Europäischen Union vorausgesetzt wird, um europäische Mittel für das Bauvorhaben zu bewilligen. "So eine Solidarleistung muss endlich auch gewürdigt werden", betonen Kehle und Gläser.

Falsche Behauptungen

Kehle und Gläser kritisierten die Weigerung der Projektgegner, die demokratischen Entscheidungen zu akzeptieren, die das Projekt seit Mitte der 90er Jahre wiederholt bestätigt haben. "Es ist schlicht und ergreifend falsch, zu behaupten, dass über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wurde", so Roger Kehle. Vielmehr seien alle Entscheidungen Schritt für Schritt öffentlich und nach Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie beschlossen sowie durch Gerichtsentscheidungen bestätigt worden. Stefan Gläser bezeichnet die Situation als "Lackmustest für die repräsentative Demokratie". Die beiden Verbandschefs warnen vor einem Präzedenzfall, Entscheidungen für größere Bauprojekte in Zukunft trotz positiver Voten in Gemeinderäten, Regional- oder Landesparlamenten sowie im Bundestag von Gegnern in Frage stellen zu lassen. Dies zeuge von einem Mangel an Vertrauen und Respekt gegenüber den gewählten Volksvertretern und könne dazu führen, dass politische Partizipation in Form der Übernahme eines politischen Mandats noch weiter zurückginge.

Dem Engagement der beiden Verbände vorausgegangen war die Vereinbarung des Vorstandes des Städtetags und des Präsidiums des Gemeindetags bei einer gemeinsamen Sitzung, ihre Mitgliedsstädte und -gemeinden umfassend über das Projekt zu informieren. Die Gremienmitglieder bedauerten, dass die BürgerInnen sich im Projektverlauf offenkundig nicht ausreichend mitgenommen fühlten. Die Geschäftsstellen der beiden Verbände wollen dazu beitragen, die Diskussion im Lande zu versachlichen und den Kommunen den aktuellsten Sachstand über das Projekt zu vermitteln. Kehle und Gläser zuversichtlich: "Wir sind überzeugt, dass viele Zweifler noch rechtzeitig auf den Zug aufspringen werden."