Stadtnachricht

Ziemlich beste Freunde: Tulle, Bury und Schorndorf


Mit der Daimler-Medaille der Stadt Schorndorf ausgezeichnet für ihren jahrzehntelangen Freundschaftsdienst.

Die Menschen, die persönlichen Beziehungen und die über Jahrzehnte gewachsenen Freundschaften machen es möglich: Schorndorf feiert dieses Jahr 50-jährige Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Tulle und die 25-jährige mit der britischen Stadt Bury. Grund genug dieses besondere Jubiläum gebührend zu feiern. Mal fröhlich tanzend, mal nachdenklich und erinnernd. So stand das vergangene Wochenende ganz im Zeichen dieser Feierlichkeiten und rund 120 Gäste aus Tulle und 30 Gäste aus Bury sowie weitere Gäste aus den Partnerstädten Dueville und Kahla waren angereist. Ein Hauch von Frankreich war in Schorndorf zu spüren: französisch-italienischer Markt, Akkordeonmusik und die Eröffnung der Kunststraße 2019. Oberbürgermeister Matthias Klopfer bedankte sich bei allen Engagierten und Aktiven in den Partnerschaftsvereinen, Schulen und Organisationen sowie bei den zahlreichen Gastfamilien, die die gegenseitigen Besuche und Austauschprogramme ermöglichen und gestalten und die an den Jubiläumsfeierlichkeiten beteiligt waren. „Gemeinsam feiern wir Frieden und Freundschaft“, so OB Klopfer.

Europäische Freunde

Die Städtepartnerschaft ist eine der ersten deutsch-französischen Partnerschaften nach dem Zweiten Weltkrieg und dadurch etwas Besonderes. Die Pioniere der deutsch-französischen Freundschaft zwischen Tulle und Schorndorf sind die Mitglieder der Gruppe Troubadours. Aus den ersten Kontakten dieser Folklore-Tanzgruppe und den Schorndorfer Mitgliedern des Schwäbischen Albvereins ist eine lebenslange Freundschaft und offizielle Verbindung entstanden. Ehrensache, dass die Mitglieder der Tanzgruppe auch bei den sommerlichen Temperaturen in ihren Trachten zu Geigen-, Dudelsack- und Akkordeonmusik tanzten und, dass einige der ursprünglichen Tänzer der Gruppe aus den 1960er Jahren immer noch mittanzten. Im Juni 1969 unterzeichneten Oberbürgermeister Rudolf Bayler und Bürgermeister Jean Montalat in Schorndorf die Partnerschaftsurkunde. Damals wurde auch der Tuller Platz eingeweiht.

Erste Kontakte zu Bury wurden in den 1980er Jahren in Tulle geknüpft. Die Verbindung mit der britischen Stadt Bury und die offizielle Partnerschaft wurde 1994 während der 25-jährigen Jubiläumsfeierlichkeiten zwischen Tulle und Schorndorf sogar in Tulle geschlossen. „Ich wünsche mir, dass wir und unsere Nachfolger in 25 Jahren die europäische Freundschaft mit Bury in Schorndorf feiern dürfen“, so Oberbürgermeister Matthias Klopfer in seiner Festrede. Er stimmte dabei auch nachdenkliche Töne in Bezug auf den möglichen Brexit und den Rechtsruck in Europa an. Der Festabend, der von Carmen Wirth moderiert und von dem Sinfonieorchester und der Big Band der Jugendmusikschule in der Barbara-Künkelin-Halle festlich umrahmt wurde, war voller emotionaler Momente: Gemeinsam sangen und summten die Gäste die Europahymne und es gab besonders großen Applaus für Michel Baratte, den neuen Vorsitzenden des Comité de Jumelage, der sagte: „Heute Abend bin ich ein Schorndorfer“.

Verbindene Elemente

Seit 12 Jahren findet die Kunststraße - Rue des Arts - Strada dell’arte in Schorndorf und den Partnerstädten Tulle, Dueville und Bury statt. In über 60 Schaufenstern der Stadt, als Gemeinschaftsausstellung in der Q-Galerie für Kunst und in der Galerie des Kunstvereins sind die Werke von über 70 Künstlerinnen und Künstlern aus den vier Partnerstädten ausgestellt. „Eine wahre Erfolgsgeschichte unserer Partnerstädte und eine verbindende Brücke“, sagte Oberbürgermeister Matthias Klopfer bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung. Ebenfalls erfolgreich ist die Zusammenarbeit der katholischen Kirchenchöre in Schorndorf und Tulle, die seit 45 Jahren freundschaftlich verbunden sind und beim Festgottesdienst in der Heilig-Geist-Gemeinde vergangenen Sonntag gemeinsam unter der Leitung von Ulrich Klemm die „Missa brevis“ von Charles Gounoud aufgeführt haben.

Eine der tragenden Säulen der Partnerschaft zwischen Tulle und Oradour fehlte am Festwochenende. Jean-Pierre Plas, der ehemalige Vorsitzende des Partnerschaftsvereins in Tulle, ist nach kurzer aber schwerer Krankheit vergangenen Dezember verstorben. Beim Gottesdienst hielt Brigitte Cajar einen Nachruf auf einen ganz besonderen Menschen im Einsatz für die deutsch-französische Freundschaft.

Leidenschaft fürs Akkordeon

Bei Akkordeonmusik denkt man sofort an Frankreich und auch in Tulle spielt das Tasteninstrument eine sehr bedeutende Rolle. Denn dort ist die Tuller Akkordeon-Manufaktur Maugein Frères zuhause. Auch der Direktor dieser Manufaktur, Richard Brandao, war zum Festakt nach Schorndorf gekommen. Im Gepäck hatte er für die Stadt Schorndorf als Geschenk zum 50. Jubiläum ein kleines, bordeauxfarbenes Akkordeon, das er Oberbürgermeister Matthias Klopfer überreichte.

Mit Lydie Auvray ist eine wahre „Grande Dame“ des Akkordeons in der Orangerie aufgetreten. Die 1956 in der Normandie geborene Französin versprühte pure Freude und verzauberte mit ihren musikalischen Begleitern mit ihrer facettenreichen Musik und ihrer sympathischen Art die rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörer, darunter alle Gäste aus den Partnerstädten. In ihrem Programm „Musetteries“ präsentierte sie die Musette - den traditionellen Walzer, ließ aber auch rhythmisch-feurige Tangos erklingen.

Bei traurig-schöner Akkordeonmusik von Tobias Escher gedachten alle Gäste auf dem Alten Friedhof gemeinsam der Opfer des Massakers durch die SS-Division „Das Reich“ vor 75 Jahren in Tulle. 99 weiße Rosen wurden für die 99 Opfer am Mahnmal niedergelegt. Erinnern und die Aussöhnung sind bedeutende, verbindende Elemente. Und so sagte der stellvertretende Tuller Bürgermeister Yannik Séguin: „Das Massaker in Tulle, das waren nicht die Deutschen, das waren die Nazis. Wir alle dürfen niemals aufhören gemeinsam an Europa zu bauen.“ Gemeinsam nehmen OB Klopfer und Landrat Dr. Richard Sigel an den Gedenkfeiern in Tulle und Oradour-sur-Glane am kommenden Wochenende teil.