Stadtnachricht

Zwei Kämpfer für Menschenrechte und Pressefreiheit in ihrem Land


Trotz aller Bemühungen ist die Presse- und Meinungsfreiheit weltweit vielerorts noch immer keine Selbstverständlichkeit wie in Deutschland. Der Johann-Philipp-Palm-Preis ist eine der wenigen Auszeichnungen in unserem Land, um den Einsatz derjenigen Menschen zu würdigen, die sich in besonderem Maße um die Erhaltung, Förderung und Entstehung der Pressefreiheit und des Rechts auf freie Meinungsäußerung verdient gemacht haben.

Der Johann-Philipp-Palm-Preis wurde am Sonntag zum fünften Mal von der Palm-Stiftung verliehen. Als Preisträger hat das Stiftungs-Kuratorium die iranische Frauenrechtlerin Mahboubeh Abbasgholizadeh und den mexikanischen Journalisten Pedro Matías Arrazola auserwählt. Den mit 20.000 Euro dotierten Preis überreichte Dr. Ulrich Palm an die Beiden.

Preisträger und ihre Übersetzer

Die Iranerin Mahboubeh Abbasgholizadeh ist Theologin, Frauenrechtlerin und Filmemacherin. Sie arbeitet seit langem für die Demokratisierung in ihrem Land und gehört zu den führenden Oppositionellen gegen das Regime. Ihre beiden Töchter hat die Preisträgerin schon vor einiger Zeit ins Ausland gebracht, um sie vor Übergriffen des Regimes zu schützen. Sie selbst wurde in Abwesenheit im Mai von einem Revolutionsgericht wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit zu 30 Peitschenhieben und zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Seitdem lebt sie im politischen Exil in Amsterdam. Dort hat sie ein Online-Portal für Frauen- und Menschenrechte aufgebaut. Die Laudatio auf sie hielt ihre Freundin, die Berliner Publizistin Seyran Ates, ebenfalls Trägerin des Palm-Preises.

Die Brutalität der Machthaber in Mexiko am eigenen Leibe spüren, durfte der Journalist Pedro Matías Arrazola. Er wurde gekidnappt, weil er offensichtlich mit seinen Berichten über die Unterdrückung der Indios, über die Korruption und den Hunger in seinem Heimatland im Süden Mexikos den Verantwortlichen ein Dorn im Auge war und ist. Seine Entführer wollten ihn mit dieser Drohgebärde davon abhalten, weiterhin journalistisch tätig zu sein. Einer wie Arrazola lässt sich davon aber nicht einschüchtern. Nach einer "Auszeit" von einem Jahr, die er auf Einladung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte hauptsächlich in der Hansestadt verbrachte, lebt er jetzt wieder im Süden Mexikos. Im Gegensatz zu Mahboubeh Abbasgholizadeh ist er nun wieder bei seiner Familie, muss jedoch im Untergrund leben, denn er schwebt mehr denn je in Lebensgefahr. Deshalb kommuniziert er nur über eine konspirative Telefonnummer.

Bei seinem Aufenthalt in Hamburg lernte er die Geschäftsführerin der Stiftung, Monika Bäurle kennen, die ihn in dieser Zeit begleitete. Sie war bei der Preisverleihung seine Laudatorin. Pedro nutzte die Chancen, die sich ihm in Deutschland boten, erklärte Monika Bäurle. Er trat öffentlich auf und sprach mit Kollegen vor Schülern und anderen Zuhörern wie zum Beispiel im Presseclub von Baden Baden oder in München im Verein der "Journalisten helfen Journalisten". Er folgte den Einladungen von Amnesty International, dem Antikriegshaus Sievershausen und dem Deutschen Journalistenverband. Dieses Jahr in Deutschland, gestand Petro Arrazola bei seinem Schlusswort, sei für ihn wie ein Traum gewesen. Für Abbasgholizadeh stehe eine Rückkehr in ihren geliebten Iran wohl außer Debatte, stellte Seyran Ates in ihrer Laudatio fest. In einem Land, in dem man für das "Vergehen" des Ehebruchs immer noch zu Tode gesteinigt wird, besteht sicherlich nicht zu Unrecht die Furcht, dass eine Persönlichkeit wie Mahboubeh Abbasgholizadeh nicht nur mundtot gemacht werden würde.

In seinem Festvortrag zum Thema "Verfassungsrechtlicher Schutz der Religionsfreiheit" wartete Prof. Dr. Udo Steiner mit Zahlen und Fakten auf, bei denen sich das Erstaunen auf den Gesichtern von einigen der interessiert lauschenden Zuhörer sprichwörtlich ablesen ließ. Eines stellte der ehemalige Bundesverfassungsrichter gleich am Anfang seines unterhaltsamen Vortrags fest, im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland sind die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, des Gewissens, die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses und die Menschenrechte in einigen Ländern wie dem Iran und einer ganzen Reihe von anderen Staaten nicht gesetzlich verbrieft, wie in unserem Grundgesetz. Dort gelte eben eine andere Werteordnung.

Der Artikel 102 Grundgesetz lege klar fest, dass die Todesstrafe in unserem Land abgeschafft ist. Peitschen und Steinigen allerdings auch. Es herrscht Gleichheit von Mann und Frau, Mann und Frau sind frei bei der Wahl ihres Ehepartners und haben die gleichen sexuellen Rechte. Und es gibt keinen Strafnachlass für Morde, die der Wiederherstellung der sogenannten familiären Ehre dienen.

Das Grundgesetz ist sozusagen die unabdingbare Geschäftsgrundlage für den "Modus Vivendi" der Religionen in Staat und Gesellschaft. Eben die unentbehrliche Voraussetzung für eine moderne und lebenswerte Gesellschaft in unserer Zeit. Aber noch in den 50er- und 60er-Jahren sei es, von Bundesland zu Bundesland mit Unterschieden, noch sehr relevant gewesen, welche Religionsangehörigkeit jemand besaß, der ein öffentliches Amt bekleiden wollte. Auch die Religion seiner Gattin spielte dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

Diese Zeiten sind vorbei. Inzwischen gebe es in Deutschland jede Menge ausländische MitbürgerInnen, stellte Steiner fest, die nach ihrer Werteordnung und Religion bei uns leben würden. So leben in Köln so viel Muslime wie Protestanten und in Hamburg so viel Muslime wie Katholiken.