Stadtnachricht

Der Gleichgültigkeit keine Chance geben


OB Klopfer und Karl-Otto Völker gedenken mit zwei Reservisten den Opfern.

Der diesjährige Volkstrauertag zum Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt stand ganz im Zeichen des 100. Jubiläums des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Seit 100 Jahren setzt sich dieser für das Gedenken und die Ehrung der gefallenen Soldaten ein. Der Volksbund betreut über 800 Kriegsgräberstätten auf der ganzen Welt und schafft so Orte der Erinnerung.

Da mittlerweile ein Großteil der Gesellschaft keinen Krieg in Europa erlebt hat, ist die Mahnung an die Vergangenheit wichtiger denn je. „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“, sagte George Santayana, ein spanischer Philosoph und Schriftsteller. Und dass sich Gräueltaten allzu schnell wiederholen können, hat die Gesichte uns gelehrt. „Umso wichtiger“, so OB Klopfer, „ist die Verbindung von Erinnerung und Gedenken mit Bildung und Begegnung.“ Als Beispiel nannte er die 50-jährige Städtepartnerschaft mit Tulle. Aus Feinden wurden Freunde.
Ein Blick in die Welt zeige, so Klopfer, dass der Frieden, der bei uns als selbstverständlich angesehen wird, ein Gut sei, für das man sich einsetzen müsse. „Frieden braucht Mut und wir alle müssen mutig sein und uns dafür einsetzen. Am Volkstrauertag wird denjenigen gedacht, die Mut bewiesen und diesen mit ihren Leben bezahlt haben.“ Nelson Mandela sagte: „Ich habe gelernt, dass Mut nicht die Abwesenheit von Furcht ist, sondern der Triumph darüber.“ Gemeinsam, da ist sich Klopfer sicher, können wir dafür sorgen, den Frieden zu bewahren. Mit Mut, Zusammenhalt und der Erinnerung an die Geschichte. „Mit Sorge schaue ich dabei auf die nationalistischen Entwicklungen in vielen Ländern Europas. Populisten versuchen mit einfachen Wahrheiten diese Gemeinschaft zu schwächen und gefährden somit auch den Frieden“, sagte Klopfer. Und weiter: „Wir erinnern uns an die Schreckenstaten und das Leid der Vergangenheit in der Hoffnung, so etwas nie wieder erleben zu müssen. Deshalb müssen wir uns für Demokratie und den Frieden einsetzen und das friedenstiftende Europa verteidigen.“

Nach Matthias Klopfer sprach Schorndorfs Ehrenbürger Karl-Otto Völker. Er wurde 1946 in Schorndorf geboren und gehört damit zum ersten Jahrgang nach dem Zweiten Weltkrieg. „Im Gegensatz zu meinem Vater, Großvater und Urgroßvater gehöre ich einer Generation an, die nicht in einen Krieg ziehen musste“, erzählte Völker. „Es ist ein Geschenk, in Frieden aufwachsen und leben zu können.“

Über 100 Jahre sind seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, mehr als 70 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. Was wir daraus gelernt haben, fragt Völker, den „Frieden auf jeden Fall nicht. Aktuell gibt es 28 Kriege und bewaffnete Konflikte auf der Welt. Auseinandersetzungen, die aus Hass und ideologischer Verblendung entstanden sind.“ Völker, der Anfang des Monats von einem Freund für eine Woche mit ins Kloster genommen wurde, berichtete, er habe dort erfahren, wie wichtig es sei, dass alle Religionen dieser Welt gemeinsam an einem Friedensauftrag arbeiten. Ob Christen, Juden oder Muslime. „Erinnerung ist Zukunft - Wie wahr, denn gemeinsame Erinnerungen sind oft die besten Friedenstifter“, so Völker weiter.

Karl-Otto Völker berichtete von der systematischen Tötung von sogenanntem „Unwerten Leben“, das sich nicht weit von hier entfernt, auf der Schwäbischen Alb im KZ Grafeneck ereignete. Mehr als 10.000 Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung wurden in der Gaskammer ermordet. Doch mit der Gaskammer fing es nicht an. „Es fing an mit einer Politik, die von ‘Wir gegen die’ sprach. Es fing an mit Intoleranz und Hassreden. Es fing an mit der Aberkennung von Grundrechten. Es fing an mit brennenden Häusern und es fing an mit Menschen, denen es gleichgültig war, und die einfach wegschauten.“ Zum Schluss seiner Rede stellte Völker die Frage ob all die Menschen, deren gedacht wird, sinnlos starben. „Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Nein. Und es ist unsere Aufgabe, dem Tod dieser Menschen einen Sinn zu geben, indem wir erinnern, verstehen und handeln. Geben wir der Gleichgültigkeit keine Chance!“