Stadtnachricht

Schutz für den Käfer mit Geweih


Förster Julian Schmitt und Bürgermeister Thorsten Englert (von links) im Aichenbach

Wer im Frühsommer am Waldrand spazieren geht, kann mit etwas Glück einen ganz besonderen Käfer beobachten: den Hirschkäfer. Oft macht er sich durch ein lautes Brummen bemerkbar. Die Männchen sind durch ihre markanten, geweihartigen Oberkiefer sofort zu erkennen. Der Hirschkäfer ist eine der größten europäischen Käferarten und gehört zu den stark gefährdeten Arten, für die besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Daher wurde ein Hirschkäfermeiler im Aichenbach errichtet und vergangenen Montag durch Forstrevierleiter Julian Schmitt vorgestellt.

Brutstätte für die Larven

In Zusammenarbeit von Stadtwald und Zentralen Diensten Schorndorf wurde im FFH-Gebiet Schurwald (Schutzgebiet) ein Hirschkäfermeiler errichtet. Für den Bau wurden entwurzelte Eichen in kleine, rollenartige Stücke zersägt, dicht zusammengestellt und am Waldrand eingegraben. Das verwendete Holz ist ausschließlich im Rahmen von Verkehrssicherungsarbeiten angefallen oder wäre als Brennholz genutzt worden.
Somit mussten für die Errichtung des Meilers keine Bäume gefällt werden. Insgesamt wurden mit Hilfe eines Krans in etwa eineinhalb Tagen acht Festmeter Holz und fünf Schüttraummeter Hackschnitzel und Sägemehl verbaut. Die Stämme des Hirschkäfermeilers sind etwa 70 Zentimeter tief in den Boden eingegraben und dienen den Hirschkäferlarven als Brutstätte sowie zur Nahrungsaufnahme. Die Hackschnitzel und das Sägemehl kamen in die Freiräume zwischen den Stämmen, um die Hohlräume auszufüllen. Gleichzeitig stellen sie eine Starthilfe für den Zerfallprozess des Holzes dar. Um sicherzustellen, dass sich kein Wasser im Inneren sammelt, wurde eine Drainage gelegt.
Die Errichtung von Hirschkäfermeilern gilt als wirksame Sofortmaßnahme, um dem Hirschkäfer ein Zuhause zu bieten, und hilft somit, die Biodiversität des Waldes zu wahren. „Ich bin zuversichtlich, dass der Meiler eine Erfolgsgeschichte wird und die Käfer beziehungsweise ihre Larven schon bald einziehen werden“, erläutert Julian Schmitt. Ein zweiter Meiler wird in den kommenden Wochen im Viehweidweg am Waldrand entstehen. Die Meiler haben eine Lebensdauer von ungefähr 30 Jahren - danach ist das Holz verfault und kann nicht mehr von den Käfern genutzt werden.

Indikator für naturnahe Waldbewirtschaftung

Nach dem Bau des Meilers beginnen Mikroorganismen und Pilze mit der Zersetzung des abgestorbenen Holzes. Das feuchte Klima im Inneren bietet optimale Bedingungen für die daumendicken Hirschkäferlarven. Findet ein Hirschkäferweibchen den Meiler, so legt es seine Eier in diesem ab. Sind die Larven geschlüpft, ernähren sie sich von morschem, feuchtem Holz, das sie mit der Zeit zu Mulm abbauen. Nach drei bis fünf Jahren beginnt die Metamorphose: Aus der beweglichen Larve wird eine starre Puppe. Die Entwicklung einer Larve bis hin zu einem erwachsenen Hirschkäfer dauert fünf bis sieben Jahre. Seine Lebenserwartung als Käfer beträgt dagegen nur wenige Wochen. Die fertig entwickelten Käfer schlüpfen im Mai und Juni. Wegen der langjährigen Entwicklungsphase benötigt der Hirschkäfer Orte, an denen er sich über diese lange Zeit ungestört entwickeln kann. Der Hirschkäfer gilt als Indikator für eine naturnahe Waldbewirtschaftung und ein intaktes Wald-Öko-System. „Der Wald wird immer wichtiger als Naherholungsgebiet“, betont Bürgermeister Thorsten Englert, „daher bin ich sehr froh, dass wir Julian Schmitt als engagierten Forstrevierleiter in unseren Reihen haben.“
Der Hirschkäfer steht auf der sogenannten „Roten Liste“ gefährdeter Tierarten. Er ist bekannt für sein markantes Geweih und ist hauptsächlich im Holz toter Eichen, seltener auch im Holz toter Apfelbäume zu finden. Das Männchen wird bis zu acht Zentimeter groß, Weibchen haben kein Geweih und sind daher etwas kleiner.
Durch die Errichtung der Meiler wird der natürliche Lebensraum der Käfer aufgewertet. Zudem hat die Stadt Schorndorf im Stadtwald die Nutzung von alten Eichen im Rahmen des Alt- und Totholzkonzepts stark reduziert, um so die Population der Käfer sowie anderer Tier- und Pflanzenarten zu fördern.

Infotafel und Zaun folgen

„Mir ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und zu sensibilisieren“, erklärt Schmitt. Deshalb wird eine Informationstafel, auf der die Hintergründe des Meilers erläutert werden, in den kommenden Wochen aufgestellt. Ebenso wird ein Zaun zum Schutz der Käfer vor Fressfeinden, wie beispielsweise dem Wildschwein, um den Meiler errichtet. Auch Thorsten Englert legt großen Wert auf die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger: „Mir ist es ein persönliches Anliegen, ein stärkeres Bewusstsein für einen schonenden und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu schaffen.“
Insgesamt hat der Meilerbau im Aichenbach 11.000 Euro gekostet. 70 Prozent der Baukosten werden durch die Stiftung Naturschutzfonds gefördert. „Besten Dank an die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg und ebenfalls ein herzliches Dankeschön an unseren Forstrevierleiter Julian Schmitt für die tolle Umsetzung in Kooperation mit den Zentralen Diensten Schorndorf“, bedankt sich Bürgermeister Thorsten Englert.
Im Rahmen einer allgemeinen Wegeinstandsetzung im Aichenbach werden die Verdrückungen der Wege, die durch Holzfällarbeiten entstanden sind, im Laufe des Monats Mai beseitigt.

Die Infotafel beim neu gestalteten Hirschkäfermeiler