Haushaltsrede 2019 von Ulrich Kost, Bündnis Neunzig/Grüne

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herrn!

Vielleicht sollte ich meinen Ausführungen den Lorscher Bienensegen aus dem 10. Jahrhundert voranstellen …

Kirst, imbi ist huze! Nu fliuc du, uihu minaz, hera fridu frono in godes munt heim zi commene gisunt.

Kristus! Das Bienenvolk ist ausgeschwärmt! Nun fliegt, meine Tiere her, damit ihr im Frieden des Herrn, in Gottes Schutz gesund heimkommt!

um den Rahmen für alle unsere Bemühungen abzustecken.

Wir sind uns alle darin einig, dass uns große Aufgaben bevorstehen, die zukunftsweisende Lösungen verlangen. Es muss uns aber klar werden, dass alle diese Aufgaben vor einem ökologischen Hintergrund zu sehen sind und von diesem nicht abgelöst betrachtet werden können!

Am offensichtlichsten wird dies in den Bereichen Wohnen und Mobilität.

Es ist ja hübsch, Bauplätze auf der grünen Wiese vorzuhalten, aber das Einfamilienhaus mit Garten oder die Doppelhaushälfte hat so gar nichts Zukunftsweisendes und bedient eine rückwärtsgewandte Vorstellung von Wohnen. Es ist sehr erfreulich, dass da städtische Wohnbauprojekte wie die Wiesenstraße und erste Überlegungen zum Bauhofareal wesentlich fortschrittlicher daherkommen.
Wir müssen alle uns verfügbaren Mittel nutzen, dafür zu sorgen, dass ökologische Belange in den entstehenden Neubaugebieten berücksichtigt werden, um so die entstehenden Umweltschäden zu minimieren! Energie-Plus- und Passivhaus, auch Baukostenreduzierung sind hier Stichworte, wir Grünen wünschen uns ein Neubaugebiet, das diesem Standard entspricht! Dazu kommen Ausgleichsmaßnahmen. Was für die Oberen Straßenäcker durchgeführt wird, geht allerdings nicht weit genug. Und, geeignete Flächen sind endlich!

Wir dürfen aber nicht in Einzelmaßnahmen denken, sondern brauchen dringend einen Masterplan, in welchem die einzelnen Bereiche der Stadtentwicklung zusammengenommen werden!

Wohnen muss weit über das Bereitstellen von Wohnraum hinaus gedacht werden!

Denn jedes Innen hat ein Außen mit dem und in dem wir alle leben müssen.
Hier ist der Gestaltungsbeirat ein wertvolles Instrument!
Wie ermöglichen wir Seniorenwohngruppen? Wie und wo wohnen die Jungen? Wie können wir im Bestand, vor allem in unserer schönen Altstadt, bessere Wohnverhältnisse schaffen? Wie steigern wir die Frequenz in der Innenstadt? Doch vor allem durch zufriedene Bewohner!

Und: hier ist natürlich die Stadtbücherei die vordringliche Aufgabe!

Wie verhindern wir die Zerstörung wichtiger Grünbereiche, vor allem in der Südstadt? Sie sehen, wir müssen sehr genau hinschauen, was in unserer schönen Stadt passiert, um unser aller Lebensraum nicht zu gefährden! Das Private und das Öffentliche – Stichwort Gemeinwohl! - lässt sich hier schwer trennen.

Neues Wohnen erzeugt neuen Verkehr!

Ja, der Masterplan sollte uns auch dabei helfen, die schwierigen Fragen zur Mobilität der Zukunft wenigstens ansatzweise zu beantworten. Wie können wir der Stellplatzflut begegnen? Wie den Individualverkehr reduzieren, wo wir ihn doch durch neue Wohngebiete vermehren? Wie den Umstieg auf Elektrofahrzeuge favorisieren? Ob die Elektromobilität allerdings alle Bereiche des Autobaus auf Dauer bestimmen wird, oder ob andere Antriebe noch an Bedeutung gewinnen werden, ist unklar. Und, vor allem, wie schaffen wir es, Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu bieten? Hier ist das Erreichte bei weitem nicht ausreichend! - Ich denke hier zum Beispiel an das Fahrradparkhaus!
(In der Feuerseestraße zum Beispiel fahren die Radfahrer auf dem Gehweg, weil der Radstreifen kein Radweg ist und sie verunsichert sind.)

Der sehr gute Versuch mit dem Reallabor Bus wird leider konterkariert durch die Unzulänglichkeiten auf regionaler Ebene. Wir leben nicht auf einer Insel der Glückseligen, alle unsere Bemühungen sind selbstverständlich Bestandteile größerer, regionaler und globaler Zusammenhänge.
Im Positiven: die gemeinsamen Anstrengungen von 16 Kommunen zur Remstalgartenschau stärken das Selbstverständnis als Region und – hoffentlich – die Bereitschaft auch weiterhin interkommunal zusammenzuarbeiten. Es muss ja nicht beim Remsradweg bleiben...

Auch der Breitbandausbau ist eine solche interkommunale Aufgabe, bei der die Stadtwerke aus unserer Sicht die führende Rolle spielen müssen. Die Verlegung mehrerer Medien macht Synergieeffekte möglich. Unserer Meinung nach gehört hier neben Strom, Breitband, Wasser und Gas auch die Abwasserreinigung einbezogen. Zur effektiven und preisgünstigen Versorgung unserer Bevölkerung durch Stadtwerke, Zentrale Dienste und auch die Nachbarkommunen bekennen wir uns ausdrücklich. Allein die Effektivität einer Maßnahme darf nicht das Maß aller Dinge sein. Alle sollen Zugang zu den neuen Technologien bekommen!

Auch Bildung und Ausbildung müssen wir vor diesem ökologischen Hintergrund denken und gestalten. Was essen unsere Kinder in den Mensen? Gibt es einen Waldpädagogen? Wie lässt sich ökologisches Bauen für neue Kindergärten realisieren? Wie ökologisch nachhaltig können wir unsere Schulen sanieren? Ich habe hier große Hochachtung vor dem Geleisteten und sehe uns auf einem guten Weg.

Die Remstalgartenschau wird uns hier hoffentlich weitere wesentliche Impulse geben!

Bildung und Ausbildung gestalten wir aber eben auch außerhalb der Kindergärten und Schulen. Wir tun dies in all unseren Kultureinrichtungen, die ich hier nicht aufzählen muss. Wir kennen sie, wir schätzen sie, wir sind zu Recht stolz auf sie. Und wir fördern sie - in Maßen. Da wir doch wissen, dass diese weichen Standortfaktoren entscheidend zur Attraktivität einer Stadt beitragen, könnten wir hier durchaus ein wenig mehr tun.

Lassen Sie mich mit einem Thema schließen, das mir besonders am Herzen liegt.

Wir wählen im kommenden Jahr ein neues Europaparlament und wir feiern 50 Jahre Städtepartnerschaft mit Tulle! Dies ist ein so herausragendes Ereignis in einer Welt und einer Zeit der egoistischen, angstvollen, nationalistischen Abgrenzungen, dass es lohnt, alles daran zu setzen, dass diese Feierlichkeiten ein unvergessliches Fest werden – vor allem für die Jungen, denen ein offenes Europa manchmal allzu selbstverständlich ist.

Der Kunstverein Schorndorf wird im kommenden Jahr die nächste Rue des Arts, die große internationale Kunstausstellung zusammen mit den französischen, italienischen und diesmal auch englischen Künstlerkolleginnen und Kollegen aus den Partnerstädten durchführen.

Das Thema wird BRÜCKEN sein, Brücken zwischen unseren Partnerstädten, Brücken zwischen Menschen und - Brücken zwischen Gremien und Fraktionen?

L'écologie commence dans la tête! Cacahouètes – französisch Straßentheatergruppe