Haushaltsrede 2020 von Thomas Berger, SPD

(es gilt das gesprochene Wort)

Anrede,

„Man muß beachten, daß eine lange und eine kurze Rede auf dasselbe herauskommen." Epikur von Samos

Anknüpfend an dieses Zitat vielleicht eine kleine Anmerkung vorab:

Wir haben uns im Ältestenrat darauf verständigt, dass die Fraktionen, Gruppen und unsere Einzelstadträtin für Ihre jeweiligen Haushaltsreden einen Zeitansatz von fünf bis 15 Minuten einplanen sollen. Das reicht allemal für ein kurzes Statement und ist der Wertigkeit des Hauptorgans der Stadt kaum noch würdig. Wir brauchen bei diesem wichtigen Thema eine echte Debatte- und damit auch Streitkultur an welcher die BürgerInnen auch ablesen können, um was es uns eigentlich geht und wie stichhaltig unsere Argumente sind, wenn diese sich einer echten Debatte stellen müssen. Es müssen, sofern es welche gibt, lange Linien in der Haushaltspolitik erkennbar werden können.

So halten wir nun eben nur noch Kurzstatements, bei denen lediglich derjenige oder diejenige auf all die vorherigen Argumente reagieren kann welche/r als letzter spricht.

Schade eigentlich.

Zur Finanzlage (aus Sicht der SPD)

Zu Beginn möchte ich einige Worte über unsere Einschätzung zur Finanzlage der Stadt verlieren. Wobei ich nicht verhehlen kann, dass wir auf der Basis der vorliegenden Zahlen, in der Interpretation der Situation nicht immer und in allen Teilen die Sichtweise der Verwaltung teilen.

„Prognosen sind dann problematisch, wenn sie die Zukunft betreffen“ - so hat es Karl Valentin, dem dieses Zitat unter anderem zugeschrieben wird, einmal treffend auf den Punkt gebracht. So ist auch unser Finanzstatus aktuell aber auch prognostisch von vielerlei Prämissen abhängig. Es geht um Geburtenraten, Schülerzahlen und Verkehrsentwicklungen. Nicht immer haben diese Prognosen (in der Rückschau) zugetroffen und zu richtigen Entscheidungen geführt.

Aber letztlich kann man doch konstatieren, dass wir mit den immensen Investitionen der letzten Jahre einen Großteil unserer impliziten Schulden abgebaut haben. Der Haushalt zeigt uns, dass wir nicht nur hinsichtlich der Investitionen in den letzten Jahres Großes auf den Weg gebracht haben. Die vom Finanzbürgermeister dargelegte Investitionssumme von über 215 Millionen ist der Beweis dafür, dass wir in den bald hinter uns liegenden „10er-Jahren“ mutig die Hinterlassenschaften einer teilweise maroden Infrastruktur angepackt haben. Dies natürlich auch stets vor dem Hintergrund steigender Steuereinnahmen.

Bedingt durch diese Investitionen steigen allerdings nicht zuletzt die durch den Kernhaushalt abzubildenden Abschreibungen, welche wiederum die im Etat vorhandenen Spielräume eingrenzen.

In der Ergebnisprognose der Haushalte bis 2023 ergibt sich nach den derzeitigen Berechnungen ein negatives Delta von rund zwei Millionen Euro - diese Lücke muss dauerhaft geschlossen werden. Laut dem Haushaltsentwurf wird es uns allerdings gelingen durch „Sonderergebnisse“ insgesamt ein positives Ergebnis auszuweisen. In den nächsten vier Jahren ein Plus von rund über vier Millionen Euro. Also alles in allem gar nicht so schlecht - oder doch?!

Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich in der Folge kurz auf vier Aspekte in aller gebotenen Kürze eingehen:

Ausblick Steuerschätzung Herbst 2019

Die Prognosen des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Herbst dieses Jahres:

Bund: plus sechs Milliarden /auf 371 Milliarden Euro
Land: plus 10 Milliarden/auf 381 Milliarden Euro
Kommunen: plus vier Milliarden/auf 135 Milliarden Euro

Fazit:

Auch in Schorndorf kann man somit zunächst mit weiter steigenden Steuereinnahmen rechnen. Entscheidend für eine Stadt wie unsere ist hierbei vor allem die Entwicklung der Einkommenssteuer. Diese hat sich sehr positiv entwickelt und ist weit weniger direkt anfällig für Konjunkturschwankungen – nicht so die Gewerbesteuer, die unmittelbar aus den Gewinnen der Unternehmen berechnet wird.

Fazit:

Wir haben Zeit in Ruhe im kommenden Jahr wichtige Entscheidungen bei (noch) stabilen Steuereinnahmen zu treffen.

Mythos „Schwarze Null“:

  • Bürgermeister Englert hat in seiner Rede zur Haushaltseinbringung auf die besondere Lage der Finanzwirtschaft in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen hingewiesen. Völlig zurecht! Vieles von dem was jahrelang im Verhältnis von Schulden und Anlagenvermögen als gesetzt galt muss neu überdacht werden.
  • Keine fiskalischen Schulden zu machen, wenn Implizite Defizite (zum Beispiel bei wichtiger Infrastruktur) bestehen ist bei den derzeitigen Umständen einfach unklug - damit auch die in der Verfassung verankerte „Schuldenbremse“.
  • Möchte nicht ungezügelter Verschuldung das Wort reden - es müssen rentierliche Schulden sein, die Entlastungen für kommende Generationen beinhalten.
  • Das wir richtig liegen zeigt ein Vergleich von fiskalischer Verschuldung und den steigenden Werten im Anlagevermögen. Wir haben mit 46 Millionen Euro Fremdkapital ein Sachvermögen von 160 Millionen Euro geschaffen.

Fazit:

Schwarze Null um jeden Preis ist volkswirtschaftlicher Blödsinn.

Mythos vom „Tafelsilber“:

  • In den kommenden vier Jahren finden wir jeweils rund 3,5 Millionen Euro „Sondereffekte“, welche (verrechnet mit den ordentlichen Ergebnissen) das positive Gesamtergebnis ermöglichen.
  • Die Einnahmen stammen aus Grundstücksverkäufen und der Erschließung städtischer Flächen und deren Vermarktung.
  • Auf den ersten Blick wirkt dies wie der Verkauf von Tafelsilber - so liest es sich auch im Haushalt. Aus unserer Warte kann man dies jedoch eher als der Ertrag auch dem Handel und gezielten Wirtschaften mit Flächen verstehen.
  • Wir kaufen Flächen auch mit Fremdkapital (zum Beispiel Breuninger, Bauknecht, et cetera), entwickeln diese, gehen damit in Vorleistung, und vermarkten diese dann mit Gewinn. Das ist kein Verkauf von Tafelsilber, dass ist das Ergebnis einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch unsere Stadt - somit eher ein ordentliches Ergebnis als ein „Sondereffekt“.

Wie sieht es mit dem Ergebnishaushalt nun aus:

  • Auch wenn gegebenenfalls nicht jeder Euro der rund 3,5 Millionen Euro jährlich als ordentliches Ergebnis aus unserer Tätigkeit am Immobilien- und Grundstücksmarkt anzusehen ist. So leistet dieses Wirtschaften jährlich einen Deckungsbeitrag für den Gesamthaushalt und sollte auch so betrachtet werden.
  • Im Haushaltsentwurf werden die Schulden immer auch in „Konzernschulden“ dargestellt. Das Ergebnis wird allerdings separat nach Kernhaushalt, Städtische Wohnbau und Stadtwerke/Bäderbetriebe ausgewiesen. Im Konzern betrachtet (wenn man die sogenannten Sondereffekt einbezieht) erreichen wir ein positives Ergebnis von weit über fünf Millionen Euro.
  • Dennoch muss gelten, dass wir auch das ordentliche Ergebnis des Kernhaushaltes spätestens ab 2023 in die „Gewinnzone“ führen müssen – früher ist natürlich besser.

Fazit:

Wir müssen die Ergebnisse differenzierter betrachten und dennoch im Rahmen der anstehenden Strukturreformen die zwei Millionen Defizit im allgemeinen Geschäftshaushalt decken.

Politische Entscheidungen / Ziele einer Haushaltskommission

„Haushalte müssen in guten Zeiten saniert werden - nicht in schlechten“

Vor dem Hintergrund dieser schlichten Wahrheit, die jeder Haushälter/in kennt, haben wir vor Jahren schon die Gründung einer Haushaltsstrukturkommission beantragt. Diesem Antrag wurde vor Jahren stattgegeben - nun scheint sie im Jahr 2020 endlich ihre Arbeit aufzunehmen.

Vor nicht allzu langer Zeit hat Gerhard Nickel, in einer emotionalen Wortmeldung gesagt, dass man mit ihm gerne über eine Haushaltsstrukturkommission sprechen könne - für eine Sparkommission stehe er indes nicht zur Verfügung. Damals erntete er nicht bei allen viel Verständnis für diese Aussage - dennoch hat er vollkommen Recht. Es kann in dieser Kommission nicht darum gehen an der einen oder anderen Stelle ein paar Tausend Euro einzusparen. Nein, gerade zu Beginn einer Legislaturperiode muss diese Kommission, auch in harten Diskussionen, die existenzielle Fragen für unsere Stadt finden und einer Beantwortung zuführen. Ich möchte, ohne der Kommission vorgreifen zu wollen, kurz auf vier für uns wichtige Themenfelder eingehen.

Wachstum

  • Ehrliche Antworten zum Thema Wachstum suchen.
  • Gibt es Grenzen des Wachstums bei Bevölkerung, Wirtschaft, Infrastruktur?
  • Falls ja, wie sind diese zu definieren und wir können wir diesen Rahmen managen?
  • Schorndorf hat rund 40.000 Einwohner und wir wollen, wir werden wachsen - bis wohin? 43.000 oder 53.000?
  • Wieviel Gewerbefläche wollen wir, wo ausweisen? Welche Industrien wollen wir ansiedeln, welche nicht?
  • Brauchen wir eine Masterplan für die Stadtentwicklung (wie ihn die SPD seit Jahren fordert)?
  • Wie weit geht unser Verdichtungskonzept in der Innenstadt?

Schwerpunkte der Finanzplanung

  • Nicht im Klein/Klein verhaftet bleiben.
  • Wir müssen definieren welche Haushaltanteile uns bestimmte Politikfelder wert sind.
  • Wieviel soll in Schule, frühkindliche Bildung, Sicherheit, Sauberkeit, Tourismus et cetera investiert werden?
  • Wir wollen einen kommunalen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehr! Denn hier gilt: das Angebot schafft die Nachfrage. Ein Öffentlicher Personennahverkehr der zu einem Umstieg vom Individualverkehr führt, benötigt zwei Dinge: Er muss wirtschaftlich interessant sein und man darf nicht auf einen Fahrplan schauen müssen, wenn man los möchte.
  • Wir wollen, dass wir uns mehr um die ärztliche Versorgung kümmern. Vielleicht sogar ein eigens Medizinisches-Versorgungs-Zentrum (MVZ) gründen.
  • Und wir müssen die Digitalisierung vorantreiben. Die Diskussion über 5G muss man führen –auch die Risiken abwägen. Letztlich werden wir nicht gegen einen Ausbau sein können, wenn wir als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben wollen.

Personalkosten

  • Wir müssen auch hier das Wachstum definieren und der Bereich Personalkosten darf in den Beratungen der Kommission nicht ausgeklammert werden. Wir kommen bei einem Gesamtvolumen von über 20 Prozent für das Personal nicht umhin auch hierüber zu diskutieren.

Unsere Anträge

Bürgeranliegen

  • Löwenanteil unserer Anliegen sind Bürgeranliegen, die im Laufe des vergangen Jahres an uns herangetragen, von uns vor Ort geprüft wurden und nun mit der Bitte um Zustimmung durch den Gemeinderat verabschiedet werden sollen.
  • Anträge sollen an dieser Stelle nicht einzeln erläutert werden, dazu ist in den kommenden Lesung(en) der Haushaltssatzung noch ausreichend Zeit.

Doppelhaushalt(e) ab 2021

  • Aufwände für eine jährliche Haushaltsaufstellung sind viel zu hoch.
  • Viele Kommunen arbeiten (wie das Land) mit Doppelhaushalten und sind sehr zufrieden damit.
  • Man kann im Bedarfsfall Nachtragshaushalte beschließen.
  • Man hat drei Sitzungen mehr in den zweiten Haushaltsjahren um an Sachthemen zu arbeiten.

Fazit:

Wir stehen vor großen Herausforderungen - keine Frage. Wir haben mehrere Gruppen und Fraktionen im Gemeinderat, was die Arbeit nicht unbedingt leichter macht. Das Klima im Gemeinderat hat sich deutlich verschlechtert – persönliche Angriffe im und außerhalb des Ratssaals haben Einzug gehalten. Keine einfachen Rahmenbedingungen für fruchtbare Verhandlungen in einer Haushaltsstrukturkommission.

Wir werden wie immer unseren Beitrag zum Gelingen dieser Kommission und zur Festigung des Haushaltes beitragen.

Aber eine Bitte an die Verwaltung:

Es ist schon richtig auf die Risiken im Haushalt auch zugespitzt hinzuweisen. Aber eines ist auch sicher: Der anstehende Haushalt führt nicht ins Tal der Tränen oder in den Untergang. Vielmehr haben wir durch mutige Entscheidungen in den zurückliegenden Jahren die Weichen für die Finanzen unserer Stadt durchaus richtig gestellt. Wir haben einen guten Weg eingeschlagen, den es nun weiter zu verbessern und zu festigen gilt.

„Die großen Finanz- und Wirtschaftskrisen lehren uns, daß wir nichts aus ihnen gelernt haben." Daniel Mühlemann

Die SPD-Fraktion will lernen und nimmt diese Herausforderung gerne an.

Vielen Dank!