Sehr geehrter Herr Hornikel,
sehr geehrter Herr Englert,
geschätzte Zuhörerinnen aus Verwaltung, Bürgerschaft und Gemeinderat,
letzten Freitag. Einweihung der Kita Eulennest: Ich war neugierig, wie eine moderne Kita aussieht und was aus den gut 8 Millionen Euro geworden ist. Von außen leuchtete der runde Holzbau warm und einladend. Aber drinnen – ja, da war ich irritiert. Die Räume kamen mir sehr nüchtern vor, die Wände kahl, die Möblierung karg. Ich hatte bunte Bilder erwartet, kreatives Chaos, heimelige Ecken.
Im Gespräch mit den Erzieherinnen wurde mir klar: das, was mich irritiert, ist eine unglaubliche Chance. Kinder, Erzieherinnen und Eltern dürfen diese Kita gemeinsam gestalten. Die Räume spielerisch erobern, Abläufe ausprobieren, Ideen entwickeln und umsetzen.
Wenig ist vorgegeben, vieles ist offen, alles steht auf Anfang.
Schau ich mir den Haushalt unserer Stadt an, habe ich das volle Kontrastprogramm: drängende Aufgaben, zahllose Verpflichtungen, zu wenig Geld, keine Spiel- und Freiräume.
Unsere finanziellen Möglichkeiten sind beschränkt wie nie. Gerade deshalb müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen, welche von den vielen Zielen und Aufgaben wir uns für die kommenden schwierigen Jahre vornehmen. Ich empfinde das als große Herausforderung und Verantwortung.
Einen öffentlichen Haushalt zu verabschieden, geschieht – so habe ich gelernt – nach dem Prinzip Hoffnung. Hoffen auf Wachstum, Fördermittel, steigende Gewerbe- und Einkommenssteuern.
Auf allen Ebenen – EU, Bund, Land, Gemeinden – deutet sich jedoch ein Wandel an. Viele Ressourcen werden knapp (und teuer). Damit meine ich nicht nur Geld, sondern auch Fachkräfte, Rohstoffe, Ackerböden, Flächen für Wohnen und Gewerbe, Wasser, bürgerschaftliches Engagement, Solidarität, Zeit.
Was nützt eine schöne Kita, wenn wir keine Erzieherinnen finden und Öffnungszeiten einschränken müssen? Wie gehen wir damit um, wenn uns Ingenieurinnen oder Rohstoffe fehlen, um Straßen und Kanäle zu sanieren. Was tun, wenn die Realisierung eines Projekts viele Jahre dauert?
Ressourcenknappheit trifft alle: Unternehmen, Einzelhandel, Pflegeeinrichtungen, Kirche, Vereine oder Verwaltungen.
Statt dem Prinzip Hoffnung müssen wir also lernen, nach dem Prinzip Optimierung zu planen und handeln. Für mich heißt das: vorausschauend mit dem haushalten, was tatsächlich zur Verfügung steht und sorgsam pflegen, was wir haben. Deshalb hier an dieser Stelle mein großer Dank an alle Mitarbeiterinnen unserer Verwaltung: ich erlebe Sie über die Maßen engagiert, lösungsorientiert und professionell. Danke.
Welche Projekte wir nun überhaupt und vorrangig anpacken und wo wir sparen können, da gehen die Meinungen zwischen den Fraktionen naturgemäß auseinander. Jede Fraktion hat politische Schwerpunkte und Schmerzgrenzen. Manchmal finden wir auch schnell zusammen – der Beschluss, die Stadtfeuerwehr rasch neu zu bauen, ist ein gutes Beispiel für gemeinwohlorientierte Zusammenarbeit. Wir sind uns einig, dass die 22 oder mehr Millionen Euro gut angelegtes Geld sind. Soviel gutwillige Zusammenarbeit brauchen wir auch für andere zukunftsweisende öffentliche Projekte wie attraktive Innenstadt, Radwege oder unsere Bibliothek!
Für die anstehenden Beratungen wünsche ich mir also, dass wir einander zuhören, uns durch Argumente überzeugen – lassen, Kompromisse finden, es aushalten, wenn eine gute Idee (noch) keine Mehrheit findet.
Wichtig ist es, möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Wer Ressentiments schürt, Interessensgruppen gegeneinander ausspielt oder die Belange von Ortsteilen gegen die der Kernstadt, der schwächt den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft. Zusammenhalt aber ist eine der wertvollen Ressourcen dieser Zeit.
Nun zum Haushalt: Herr Wenzelburger und Herr Englert und alle, die uns die Bilanzen und Wirtschaftspläne von Kernstadt und Töchterbetrieben aufbereitet und vorgestellt haben: Wir haben unsere 15 Handlungsfelder, hinterlegt mit Zielen und Zahlen und der Unterscheidung von Pflicht- und freiwilligen Aufgaben. Ein wirklich gutes Werkzeug!
Aber – solange für das Handlungsfeld Klimaschutz keine Beträge eingestellt sind, können wir keine faire Abwägung machen.
Wir haben uns das Ziel gesetzt bis 2035 klimaneutral zu werden. Gleich, ob wir Maßnahmen im Kernhaushalt oder bei den Stadtwerken verbuchen – wir müssen realistischerweise einen mehrstelligen Millionenbetrag einplanen (etwaige Landes- oder Bundeszuschüsse hin oder her). Nur so können wir wichtige Maßnahmen wie PV-Anlagen, ein Wärmenetz, energetische Sanierungen überhaupt anfangen. Wir brauchen diese Transparenz. Sonst können wir keine guten Entscheidungen fällen.
Nun zu den Schwerpunkten, die unsere grüne Fraktion im Haushalt setzen will. Der Wärmeplan für Schorndorf ist fertig. Danke an das Team der Stabsstelle. Mit fünf Maßnahmen können wir unseren Wärme- und Energieverbrauch wirksam drosseln. Also los!! Alles, was wir jetzt an CO2 einsparen oder eben nicht, wird noch sehr lange unser globales Klima beeinflussen. Wer diesen Zusammenhang leugnet oder klein redet, verfolgt in Wahrheit den Plan „Nach uns die Sintflut“.
Jede Investition, die den CO²-Ausstoß mindert, verschafft unseren Kindern Luft und Freiraum. Und uns allen einen Wissens- und Handlungsvorsprung. Wir stärken damit unsere lokale Wirtschaft, sichern Arbeitsplätze in Handwerk und Industrie, geben Bürgerinnen und Bürgern gut umsetzbare Beispiele.
Bevor wir loslegen: wir brauchen endlich den Stadtentwicklungsplan – umso mehr, wenn das prognostizierte Bevölkerungswachstum eintritt. Nur mithilfe dieses Werkzeuges können wir die künftige Entwicklung Schorndorfs gezielt und effizient steuern.
Wir merken es tagtäglich: freie Flächen – gerade im Straßenraum sind ein wirklich knappes Gut. Wir stellen es bislang überwiegend kostenlos zur Verfügung. Die Tatsache, dass selbst in unseren Teilorten und Quartieren manchmal fast kein Durchkommen mehr ist, zwingt zum Handeln. Für mich ist es ein Gebot der Stunde und eine Frage der Gerechtigkeit, die Kosten zumindest anteilig umzulegen und flächendeckend Anwohnerparkgebühren einzuführen, sozialverträglich und gestaffelt nach Größe der parkenden Autos. Damit können wir das Stadtentwicklungskonzept bezahlen und weitere Maßnahmen finanzieren, die unsere Mobilität klimafreundlicher machen. Also ein gutes Rad- und Fußwegenetz, barrierefreie Haltestellen, bessere ÖPNV-Angebote.
Zu unseren Anträgen: Mit dem zeitlich begrenzten Projekt „Dorfauto“ möchten wir den Ortsteilen und Quartieren ein attraktives Angebot machen und den Straßenraum entlasten. Die Stadt least für zwei Jahre 4 E-Fahrzeuge. Wer sich registriert, kann für geringes oder gar kein Geld unkompliziert ein E-Auto testen und/oder Auto-Teilen als billige unkomplizierte Alternative entdecken. Das Dorfauto ist eine Idee aus dem Rhein-Hunsrückkreis und dort sehr erfolgreich. Warum nicht auch hier?
Ein weiterer Antrag zielt auf die Verbesserung unser Stadtklimas. Mindestens drei städtische Liegenschaften sollen jedes Jahr mit Fassadengrün aufgewertet werden und Bürgerinnen zum Nachmachen ermuntern. Fassadengrün kann wärmen, dämmen, die Umgebungsluft merklich kühlen, und ist ein Rückzugsraum für Insekten. Beginnen würden wir gerne mit den Stadtwerken und unseren Rathäusern…
Apropos Stadtklima: Eine Stadt ist mehr als die Summe aus Häusern, Menschen, Straßen. Stadt ist, wenn Menschen sich mit „ihrer“ Stadt identifizieren, ein „Wir sind Schorndorf – Gefühl“ entwickeln, egal wie lange sie schon hier sind. Diese Menschen werden ihr Potenzial zum Wohl der Stadt entfalten. Deshalb brauchen wir Vereine und Feste, schöne Plätze und öffentliche Einrichtungen. Und Kultur, die uns im Alltag einen geistigen Freiraum schafft und ein wunderbarer Katalysator für neue Ideen ist. Kultur holt Menschen aus der Einsamkeit und aus ihren Blasen. Also brauchen wir sie dringend! Wir begrüßen es, dass wir gemeinsam mit unseren großen Kultur-Macherinnen Kufo, Manu und Phönix eine Lösung gefunden haben für die nächsten beiden Jahre.
Zum Schluss nochmal ein Blick ins Eulennest: In den Kindern stecken unsere wichtigsten Zukunfts-Ressourcen. Egal ob ihre Vorfahren Schorndorfer Ackerbürger waren, ihre Eltern IT-Experten aus Indien sind oder Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine oder Syrien. Wir müssen das Potential all dieser Kinder wecken und stärken und ihnen in unserer Stadt die besten Entwicklungschancen bieten.
Denn es ist gut möglich, Herr Hornikel, dass das Mädchen, das so freudig das Willkommenslied mitgesungen hat, einmal Bürgermeisterin von Schorndorf wird. Oder Ärztin am Rems-Murr-Klinikum. Oder ein Geschäft in der Altstadt eröffnet. Oder eine bahnbrechende Erfindung wie Gottlieb Daimler macht.
Diesen Kindern hinterlassen wir ein gutes Erbe, wenn wir jetzt entschieden die Weichen gegen eine weitere globale Erwärmung stellen. Dies ist unsere wichtigste Aufgabe für die kommenden Jahre.