Haushaltsrede 2022 von Ulrich Kost, GRÜNE

Die Kultur, meine Damen und Herrn, französisch la civilisation, ist in diesen stürmischen Zeiten > Glasgow, Brüssel, Berlin, Schorndorf < in aller Munde. Sie ist Halt und Orientierung. Sie ist Rückversicherung und Heimat, wie unser schöner historischer Marktplatz auf dem wir einkaufen und ausgelassen feieren. Sie ist Kraftspender für Seele, Geist und Körper. Ich denke hier an den altmodischen Begriff der ‚Leibesübungen‘ und an das antike, griechische ‚Gymnasion‘…

Ich denke an Lesungen und Konzerte, an Theater und die bildenden Künste. Kultur gestaltet, formt. Kultur stellt aber auch Fragen, verunsichert, verstört und lässt und lässt uns an Vielem, eben noch geglaubtem zweifeln. Bei all dem können wir ihre zivilisatorische Bedeutung nicht groß genug einschätzen.

Wir haben mit dem Sportpark Rems einen Ort für Leibesübungen geschaffen, der seinesgleichen sucht. Wir haben Bäder, deren Beliebtheit weit in die Region reicht. Ja, sie sind zur Zeit ein Sorgenkind! Ich muss nicht alle die guten kulturellen Einrichtungen in unserer Stadt aufzählen. Sie kennen sie. Fast alle!

Hier muss ich etwas persönlicher werden. Den meisten Mitgliedern dieses Hauses ist wahrscheinlich unbekannt, dass wir hier in Schorndorf mit der Q Galerie einen der schönsten Ausstellungsräume in der Umgebung haben. Weder Fellbach, noch Backnang, noch Göppingen, ja nicht einmal Waiblingen hat einen ähnlich ansprechenden Ausstellungsraum wie wir hier in Schorndorf. Gehen Sie einfach einmal hin und machen Sie sich ein Bild!

Wir haben mit der Jugendmusikschule und der Volkshochschule noch zwei Schwergewichte in der Stadt. Die Musik ist im Arnoldareal gut untergebracht, die Volkshochschule hat große Raumprobleme. Ebenso die Stadtbücherei. Sie wird in naher Zukunft mehr gebraucht werden, als je zuvor. Die Zeiten des städtischen Bücherregals sind vorbei. Neue, vielfältige, zivilisatorische Aufgaben kommen auf sie zu. Das Argument, die Bibliothek funktioniere ja, trägt nicht. Schon der Zugang zur Bücherei schreckt alle ab, die keine eingefleischten Leseratten sind. Wir brauchen die neue Bücherei also, damit sie ihrem heutigen und zukünftigen Bildungsauftrag gerecht werden kann.

Nicht irgendwann, jetzt!

Lassen Sie uns keine neue Debatte darüber vom Zaun brechen, ob nicht ein anderer Standort besser geeignet wäre, ob wir nicht warten sollten bis wieder fette Jahre kommen! Der Hinweis auf die knappen Finanzen hilft nicht weiter. Jede Neuplanung, jeder Aufschub kostet enorm viel Geld.

Das Spitalhofgebäude steht leer, Archivstraße und Johann-Philipp-Palm Straße sollen umgestaltet werden. Am Spitalhof gruppieren sich neue Ämter. Die neue Bücherei wird ja auch ein einladender Verweilort, der sich zum Platz hin öffnen kann, also eben nicht mehr nur Bücherabholstation. Den Turm können wir begrünen und so der Archivstraße einen frischen Akzent geben.

Natürlich auch nicht Bücherei gegen Fußgängersteg. Der muss warten! Wir machen uns ja mit Pop-up-Versuchen auf den Weg, weshalb nicht, provisorisch, die Fußgängerunterführung in der Werderstraße ausbauen für Radfahrer und Fußgänger – unter Verzicht auf die Busspur?

Lassen Sie uns im kommenden, schwierigen Jahr mit dem Machbaren beginnen. Mehr Grün in der Stadt. Pop-up-Versuch auch in der Daimlerstraße, Reduzierung der Parkplätze auf dem unteren Marktplatz. Verzicht auf die Neugestaltung der Außenanlagen am Schulzentrum Süd in 2022.

Kultur bildet und formt, habe ich eingangs gesagt, gibt Halt und Orientierung, das beginnt bei den Allerkleinsten, in unseren Kindergärten und Kindertagesstätten. Wir können stolz sein, dass wir, unserer hervorragenden Verwaltung sei  Dank, ein so gutes Angebot an Betreuungsplätzen haben, dass wir beinahe jeden Wunsch erfüllen können. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg, auch wenn die Last größer wird.

Dass Kultur – civilisation – mehr meint als Freizeitgestaltung müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, wenn nach dem Rotstift gerufen wird, wenn es darum gehen soll, die prekären Verhältnisse im Schorndorfer Kulturbetrieb weiter zu verschärfen. Hier muss ich mein Lieblingsbeispiel nennen: Die Stadt Waiblingen hat vor einigen Jahren nur für den Bereich Bildende Kunst über 900.000.-€ ausgegeben!

Wir dürfen nicht nachlassen, das Wenige, was unter Corona möglich ist, zu fördern und zu stützen, so wie wir es mit der Gastronomie und dem Einzelhandel getan haben.

Kultur ist ein weites Feld! Wir müssen es immer wieder neu gut bestellen!

Sie werden mir nachsehen, dass ich heute für die Fraktion nicht über Umwelt und Klima gesprochen habe. Wir sind uns ja, fast alle, einig, dass wir hier dringend und wirkungsvoll handeln müssen.