Haushaltsrede 2022 von Gerhard Nickel, FDP/FW

Zwischen Umbruch und Aufbruch

Oder doch: zwischen „Unfähigkeit“ und „Insolvenz“? Was trifft die Beschreibung des öffentlichen Bildes besser, das von unserer Stadt, deren Finanzen und den dafür Verantwortlichen gezeichnet wird? Dieses Zerrbild möchte ich zurechtrücken.

Die städtische Verwaltung und der Gemeinderat haben in der Vergangenheit Vorbildliches geleistet. Sie haben das Vermögen der Stadt Schorndorf – und damit das der Schorndorfer Bürger – vermehrt und gut gestaltet. Möglich wurde dies durch den Erfolg der Schorndorfer Gewerbetreibenden und den Fleiß der Schorndorfer Bevölkerung, die sich in entsprechenden Einnahmen bei der Gewerbesteuer und der Einkommensteuer niedergeschlagen haben.

Dies hat es allen Verantwortlichen ermöglicht, gerade im Bereich der Kinderbetreuung große Anstrengungen zu unternehmen, um die gerechtfertigten Ansprüche der Schorndorfer jungen Familien und der Schorndorfer Kinder zu erfüllen. Neben den in der Vergangenheit geschaffenen neuen Kinderbetreuungseinrichtungen möchte ich nur das heute beschlossene Kinderhaus in Weiler sowie die in Planung befindliche Einrichtung an der Mönchsbrücke erwähnen.

Natürlich bedeuten solche Maßnahmen erhebliche Baukosten, steigende Abschreibungen und steigende Personalkosten. Sie sind aber alternativlos und müssen erledigt werden. Nicht nur die gesetzlichen Vorschriften aus Berlin und Stuttgart, sondern auch die berechtigten Erwartungen unserer Bürger müssen erfüllt werden. Trotz der gewaltigen Anstrengungen verbleiben aber für die Zukunft noch genügend weitere Aufgaben, die uns finanziell belasten werden.

Im Bereich der Schulen wurden das Burggymnasium und die Grundschule Rainbrunnen neu gebaut. Das Max-Planck-Gymnasium und die Gottlieb-Daimler- Realschule werden saniert. Die Sommerrainschule wird erweitert, die Fuchshofschule wird erhalten und als Denkmal saniert. Auch hier werden erhebliche Millionenbeträge aufgewendet.

Mit der Immobilienlandkarte wurden in den vergangenen Jahren Feuerwehrhäuser und Rathäuser saniert oder neu gebaut; die Stadtwerke und die Bauverwaltung haben gemeinsam mit den Zentralen Diensten ihren Neubau gerade bezogen.

Mit dem Ausbau des Breitbandnetzes und den damit verbundenen Investitionen erfüllen unsere Stadtwerke wichtige Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge und der Zukunftssicherung des Standorts Schorndorf.

All diese Investitionen wurden regelmäßig im Gemeinderat einstimmig oder doch mit sehr großer Mehrheit beschlossen. Diese Investitionen waren zum Wohl der Stadtgesellschaft unerlässlich. Als Stichwort muss hier der Fachkräftemangel und die Gewinnung von Fachpersonal genügen.

Die durch diese Investitionen verursachten Schulden haben also gleichzeitig zu einer Mehrung des Vermögens der Stadt Schorndorf geführt. Dank Corona und den aus dem Jahre 2020 stammenden Sondereffekten ist der Haushalt für das kommende Jahr schwierig, aber nicht hoffnungslos.

Die FDP/Freie Wähler-Fraktion wird daher am 07.04.2022 Ja zum Neubau der Stadtbücherei am Spitalhof sagen. Wie EBM Englert gegenüber der Presse bereits betonte, ist dieser Bau alternativlos, solide finanziert und für die Bildungsaufgaben unserer Stadt dringend erforderlich. Mit dem Bau des technischen Rathauses durch die Aufstockung des Stadtwerkegebäudes wurden bereits erhebliche Vorleistungen erbracht.

Auch wird der Neubau eine Belebung unserer Innenstadt mit sich bringen; eine Belebung, die dringend erforderlich ist. Der Umbau unserer Stadt im Rahmen der Stadtentwicklung wird insbesondere durch die Probleme des Klimawandels vorangetrieben werden müssen. Ein „Klein-Klein“ im Kampf um Parkplätze ist ebenso wenig zielführend wie die brachiale Durchsetzung von Maximalmaßnahmen, ohne die Betroffenen mitzunehmen. Ich wünsche mir, dass wir uns auch Anregungen von anderen Städten im In- und Ausland im Sinne des „Best Practice“ einholen.

Meine Fraktion kann sich durchaus vorstellen, dass die Entwicklung dringend nötiger Gewerbeflächen klimaneutral erfolgen kann. Wir wünschen uns entsprechende Vorschläge für solche Bebauungspläne von der Bauverwaltung.

Wohnungsbau wird auch die kommenden Jahre prägen. Insbesondere das Wohnen im Alter, auch in den Teilorten, wird uns beschäftigen.

All dies wird zu weiteren Belastungen der städtischen Finanzen führen. Wir sind aber sicher, dass diese Belastungen gemeistert werden. Aus diesem Grunde stellt unsere Fraktion auch keine Haushaltsanträge, sondern gibt nur Anregungen.

Den Bau eines Stegs sieht meine Fraktion als unrealistisch an. Wir wünschen uns einen klimagerechten Umbau des Gottlob-Kamm-Platzes, damit die Asphaltwüste verschwindet und die Aufenthaltsqualität erhöht wird.

Wir erwarten regelmäßige Berichte über die Einführung des Ganztagsbetriebs an allen Grundschulen ab 2026 und deren finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt. Vom zuständigen Fachbereich wünschen wir uns die Prüfung der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer.

Am 28.11.2021 findet der entscheidende Wahlgang für die OB-Wahl statt. Alle Bürgerinnen und Bürger von Schorndorf, insbesondere auch alle wahlberechtigten EU-Bürger, rufe ich auf: Geht zur Wahl. Eine hohe Wahlbeteiligung schafft auch eine hohe demokratische Legitimation.

Überlegen Sie gut, wem Sie das höchste Amt, das die Bürgerschaft zu vergeben hat, anvertrauen. Prüfen Sie die Bewerber, wer für das Amt geeignet ist und zur Mannschaft passt. Es ist wie im Sport: eine gute Mannschaft, wie wir sie im Rathaus haben, braucht auch einen guten, zu ihr passenden Trainer.

Gehen Sie daher bitte zur Wahl.

Abschließend ein Zitat von Kurt Kister, dem früheren Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Dieser schrieb Anfang November 2021: „Was einem zunehmend auf die Nerven geht, ... ist die populistische, pauschalierende Verurteilung „der“ Politik. „Die“ Politik besteht aus unterschiedlichen Strömungen, Interessen, Parteien, Weltbildern. Wer das ignoriert und alles in einen Topf wirft, um ein Gegnerbild zu zeichnen – „die“ Politik tut nichts, „die“ Politik versteht es nicht – der oder die bedient sich einer Schwarz-Weiß- „Argumentation“, die durchaus auch demagogisch sein kann. Nein: Auch ein guter Zweck heiligt die Verächtlichmachung des schwierigen Prozesses der Demokratie nicht.“

Bleiben Sie gesund.

Schorndorf 18.11.2021

Gerhard Nickel