Schorndorf - Sicherer Hafen in einer Welt des Wandels
Lieber Bernd Hornikel und Thorsten Englert, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat, liebe Interessierte,
Schorndorf ist ein sicherer Hafen – ein sicherer Hafen in einer Welt des Wandels. Und das für alle Menschen: egal, ob für Einheimische oder Zugezogene aus der Kernstadt oder unseren Teilorten, für geflüchtete Menschen aus der Ukraine oder dem Iran, für Jung und Alt, Arm und Reich. Und gleichzeitig haben wir trotz des spürbaren Klimawandels noch eine wunderschöne Natur im Remstal.
Damit Schorndorf aber weiterhin ein sicherer Hafen bleibt, müssen wir umdenken und anders handeln. Die Sturmfluten werden zunehmen. Der Blick in die Nachrichten und die Vorlagen der Stadtverwaltung macht oft keinen Spaß. Um damit umzugehen brauchen wir ganz im Sinne des Sprichworts „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“ eine resiliente Stadt – für den sozialen Zusammenhalt und für den Klimaschutz. Es ist uns als SPD-Fraktion wichtig mit einer gesunden Portion Optimismus und Zuversicht den Menschen Stabilität und Sicherheit zu schenken. Wir dürfen insbesondere als politische EntscheidungsträgerInnen den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern wir sollten positiv in die Zukunft blicken. Angst und Unsicherheit sind die falschen Treiber für politisches Handeln. Wenn man manchen Wortbeiträgen in den letzten Monaten und heute Abend Glauben schenken würde, könnte man denken, dass die Stadt Schorndorf ein sinkendes Schiff sei. Das weisen wir als SPD-Fraktion aufs Schärfste zurück. Die Stadtverwaltung, ihre Eigenbetriebe und der Gemeinderat ähneln eher einem schwerfälligen Tanker. Das muss sich ändern.
Wo steht Schorndorf heute?
Der sichere Hafen Schorndorf steht trotz aller Sturmfluten und Krisen gut da. Schorndorf hat auch in einer „Polykrise“ unglaublich viel zu bieten. Es sind die Beziehungen im Privaten, in Vereinen und beim Arbeiten, die unser Zusammenleben bereichern. Wir haben einen starken sozialen Kitt, der unsere Stadt zusammenhält. Ich möchte einen Punkt herausgreifen. Die Unterbringung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine in der Miedelsbacher Tannbachhalle war und ist alles andere als angenehm für unseren Ortsteil. Die Menschen in Miedelsbach haben diese Herausforderung aber in herausragender Weise bewältigt. Einige Ehrenamtliche haben zusammen mit dem Fachbereich Soziales die Menschen herzlich in unserem sicheren Hafen aufgenommen und kümmern sich um sie. Diese intrinsische Hilfe für andere, zu Beginn noch fremde Menschen, war und ist unbezahlbar.
Die Stadt hat viele tolle MitarbeiterInnen. Und gleichzeitig spart sie hier viel Geld durch unbesetzte Stellen – in unseren Kitas, in der Jugendarbeit oder im technischen Bereich. Das spart zwar im ersten Schritt Geld, aber belastet gleichzeitig das Personal, weil die Arbeitsbelastung steigt. Im zweiten Schritt hindert es uns daran, dass wir den Schorndorfer Hafen fit für die Zukunft umbauen. Deshalb sollte keine Stelle mehr befristet ausgeschrieben werden. Unsere MitarbeiterInnen brauchen eine attraktive Perspektive.
Wir haben Dank der Stabstelle Klimaschutz und Mobilität ein Klimaschutzkonzept, dass Schorndorf ab 2035 klimaneutral wird. Jetzt liegt es an der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat, dass nicht weiter gebremst wird, sondern wir mutig Maßnahmen umsetzen. Hermann Beutel hat bereits vor einem Jahr gesagt, dass wir „vom Reden ins Handeln“ kommen müssen. Das Tempo der Umsetzung ist erschreckend langsam. Das liegt auch daran, dass manche MitgliederInnen des Gemeinderats immer wieder Klimaschutzmaßnahmen z.B. beim Bauen, im Verkehr oder generell die Arbeit unserer Stabstelle in Frage stellen.
Und Schorndorf ist finanziell leistungsstark. Jede Einweihung eines neuen Gebäudes in den letzten Monaten war ein Beweis, dass wir handlungsfähig sind. Gleichzeitig präsentiert uns die Stadtverwaltung unzählige Sparmaßnahmen. Die finanzielle Situation ist dieses Jahr in der Tat schwierig und angespannt, aber nicht aussichtlos. Wir stehen als SPD-Fraktion rational überlegten Ausgabekürzungen und Einnahmenerhöhungen offen gegenüber. Wir haben schweren Herzens der Gebührenerhöhung im Oskar-Frech-SeeBad zugestimmt und selbst den Antrag gestellt die Energiekostenpauschale beizubehalten.
Wir wehren uns aber vehement gegen übertriebene Sparvorschläge, die über das Ziel hinausschießen, eher von Aktionismus getrieben sind, mit den Betroffenen nicht vorbesprochen waren und teilweise sozial Strukturen nachhaltig zerstören. Wir müssen über die aktuellen Krisen hinausdenken. Es wird eine Zukunft danach folgen. Deshalb stehen wir als SPD-Fraktion klar zum Bau der neuen Bibliothek. Günstiger als jetzt werden wir die Bibliothek nie bauen können. Von den multifunktionalen Räumen wird die gesamte Stadtgesellschaft profitieren.
Wir sind zugleich sehr froh, dass wir als Gemeinderat die einen oder anderen vorgeschlagene Kürzungen, wie z.B. im Bereich der Freibäder in Buhlbronn und Schlichten und dem Oskar-Frech-SeeBad, ablehnen konnten und als Korrektiv im Sinne des Gemeinwohls handeln. Warum können wir mit gutem Gewissen die eine oder andere Sparmaßnahme ablehnen?
Schorndorfs Finanzen sind besser als ihr Ruf!
Je nachdem wie das Ergebnis für 2022 ausfallen wird, haben wir in den letzten drei Jahren 7,5 Mio. € Schulden abgebaut. Dabei geistert immer wieder das Gerücht umher, dass jedes Jahr die Schuldenlast ins Unermessliche steigen würde.
Der Haushaltsplan war in den letzten Jahren immer negativer als das tatsächliche Ergebnis. Hierfür lohnt sich ein Blick in die vergangenen Haushaltspläne.
- Haushaltsplan 2020: 4,4 Mio. €
Nettoneuverschuldung geplant → Ergebnis -2,6 Mio. €, also ein Überschuss. → 7,0 Mio. € über Plan. - Haushaltsplan 2021: 7,2 Mio. €
Nettoneuverschuldung geplant → Ergebnis -1,6 Mio. €, wieder ein Überschuss. → 8,8 Mio. € über Plan. - Haushaltsplan 2022: 16,9 Mio. €
Nettoneuverschuldung geplant → Voraussichtliches Ergebnis -3,3 Mio. €. → 20,2 Mio. € über Plan.
Es spricht im ersten Schritt nichts gegen eine konservative Planung mit einem Puffer. Wir können uns aber auch schlecht rechnen.
Und ich möchte noch ein Zitat von Ihnen, Herrn Englert, entkräften: „Unserem Motor, dem „Ergebnishaushalt“, geht sprichwörtlich der Treibstoff aus“. Dann lassen sie uns einen Elektromotor einbauen und erneut durchstarten. Lieber Herr Englert, gehen sie bitte auf die Stabstelle Klimaschutz und Mobilität zu und sie werden dort von Frau Gallego kompetent beraten, wie wir z.B. durch das Ausweiten des Anwohnerparkens mit sozialer Komponente weitere Einkommensquellen erschließen könnten und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende beisteuern können.
Und zum Abschluss möchte ich noch etwas zum Damoklesschwert des Regierungspräsidiums mit dem die Stadtverwaltung gegenüber dem Gemeinderat droht sagen: „Der Haushalt sei sonst nicht genehmigungsfähig“. Im April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Freiheit zukünftiger Generationen verlangt, sofort mehr für den Klimaschutz zu tun. Dieser Beschluss war deshalb bahnbrechend, weil die Grundrechte der jungen Generation erstmals als verfassungsmäßige Rechte festgestellt wurden. Auch wir als Gemeinderat müssen diese intergenerative Gerechtigkeit beachten und soweit ich es richtig einordne, steht das Bundesverfassungsgericht klar über dem Regierungspräsidium. Wir sollten noch viel mehr in den Klimaschutz investieren, sonst mag der Haushalt zwar genehmigungsfähig, aber verfassungswidrig sein.
Mehr Tempo beim Ausbau des klimaresilienten, sicheren Hafens in Schorndorf!
Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau des klimaresilienten, sicheren Hafens in Schorndorf. Ja, wir können höhere Dämme und Grenzzäune an unserem sicheren Hafen bauen. Es wird uns aber langfristig nichts helfen. Wir sind sozial, ökonomisch, kulturell und ökologisch weltweit eng mit der Welt verbunden. Wir müssen die Wurzel behandeln und unsere CO2-Emmissionen jetzt sofort senken. Es gibt keine Erkenntnislücke. Es gibt eine Umsetzungslücke und an vielen Ecken fehlt der politische Wille zur Umsetzung des Wandels, um das Ruder herumzureißen. Der Weg in die Klimaneutralität ist mit dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg und einer industriellen Revolution zugleich vergleichbar. Für diese Herkulesaufgabe braucht es massive Investitionen. „Whatever it takes“ wäre die richtige Reaktion, um den Menschen heute und in Zukunft Sicherheit zu bieten.
Der vorliegende Haushaltsentwurf deckt leider weder im städtischen Kernhaushalt noch im Wirtschaftsplan der Stadtwerke diese notwendige Reaktion ab. Wir brauchen bei den Stadtwerken mehr Investitionen in den Bereichen Stromerzeugung und Wärmeversorgung. Wir haben beim Thema Photovoltaik gesehen, wie die Stadtwerke überrannt worden sind und die Nachfrage riesig war.
Ich hoffe, dass wir bei den Themen Photovoltaik und Wärmeversorgung möglichst schnell fraktionsübergreifend Mehrheiten für die tiefhängenden Früchte bekommen. Das Gleiche sollten wir im Bereich Mobilität und klimaneutrales Bauen umsetzen. Wir sind als SPD-Fraktion seit langer Zeit Vorkämpfer im Bereich des klimaschonenden Bauens und verzweifeln, dass die Stadtverwaltung das Festsetzen von Standards immer weiter mit unterschiedlichen Begründungen verschiebt. Wir werden hier nicht müde werden, immer wieder zu betonen, dass Stahl und Beton massive Treiber des CO2-Ausstoßes sind.
Unsere Fraktion wird drei Anträge zum Klimaschutz einbringen, um mit möglichst geringen finanziellen Mittel einen maximalen Nutzen anzustreben. Wir sind deshalb optimistisch, dass wir dafür bereits dieses Jahr eine Mehrheit bekommen.
Schlusswort
Der Konzern Schorndorf muss sich zusammen mit dem Gemeinderat vom schwerfälligen Tanker zum schnell wendigen Segelfrachter mit Elektromotor wandeln. Nur damit wird Schorndorf auch in Zukunft ein sicherer Hafen für den sozialen Zusammenhalt bleiben, sodass wir gleichzeitig im Einklang mit unserer Mitwelt leben können.
Eine aktuelle repräsentative Befragung in Deutschland hat ergeben, dass die mit Abstand wichtigsten Institutionen für das Wir-Gefühl in Deutschland Sportvereine, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sind (3 von 4 Personen, 76%). Gerade in Zeiten des Wandels ist es wichtig diese zu stärken und den Menschen damit Sicherheit und Stabilität zu bieten. Gleichzeitig müssen wir diese Krisen nutzen, um Veränderungen endlich wirksam umzusetzen.
„Wer rastet, der rostet“. Ich lade alle herzlich dazu ein die eigenen Positionen regelmäßig kritisch zu hinterfragen. Es erfordert viel Mut und ist nicht einfach. Es ist aber essentiell, wenn wir verantwortungsvoll die Zukunft unserer Stadt gestalten wollen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine gute Haushaltsberatung und bedanke mich für Ihre und Eure Aufmerksamkeit. Vielen Dank.