Stadtnachricht

Kommunale Entwicklungszusammenarbeit umsetzen


Bei der Olivenölproduktion in einer der zehn Ölmühlen des Dorfs.

Erneut haben sich der Schwäbisch Gmünder Oberbürgermeister Richard Arnold und Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer sowie Andreas Seufer, Geschäftsführer der Stadtwerke Schorndorf GmbH Ende Oktober auf die Reise in die kleine Gemeinde Bekarzala im Nordlibanon gemacht. Steffen Johner, Referent der Geschäftsführung der Gesellschaft im Ostalbkreis für Abfallbewirtschaftung mbH (GOA), begleitete die Gruppe. Im Gepäck hatte die Delegation einen konkreten Projektvorschlag: Die Rückstände, die bei der im Dorf betriebenen Olivenölherstellung entstehen, sollen durch den Einsatz einer Biogasanlage zur Energiegewinnung genutzt werden. Schwäbisch Gmünd, Schorndorf, die Stadtwerke sowie die GOA stehen dabei der libanesischen Gemeinde für das fachliche Know-how zur Verfügung. Finanziert werden soll das Projekt über Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bei der Durchführung der geplanten Projekte werden die Städte maßgeblich von der Engagement Global gGmbH, insbesondere dem Bereich Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt, unterstützt.

Global denken, lokal handeln

Besuch einer Schulklasse in Bekarzala.Sowohl Schwäbisch Gmünd als auch Schorndorf haben in diesem Jahr die Resolution der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung des Deutschen Städtetags und des Rats der Gemeinden und Regionen unterzeichnet. Die internationale Staatengemeinschaft drückt mit dieser Resolution die Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen und Bund sowie Länder die Kommunen bei der Erarbeitung von Strategien zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele stärker einbeziehen müssen. Schwäbisch Gmünd und Schorndorf setzen mit Unterzeichnung der Resolution ein Zeichen für ein stärkeres Engagement in der kommunalen Entwicklungspolitik.

Nachdem im vergangenen Jahr die Städte Schorndorf und Schwäbisch Gmünd zwei Schulbusse im Rahmen der „heimatnahen Flüchtlingshilfe“ für ein Flüchtlingscamp in Miniara im Nordlibanon gespendet hatten, war die Idee geboren, weitere Entwicklungsarbeit in Nahost zu leisten. Der Libanon leidet unter einer Wirtschaftskrise und hat im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr Geflüchtete aus Syrien aufgenommen als jedes andere Land der Welt. Aktuell stammt jeder vierte Einwohner des Libanons aus Syrien, die meisten davon leben in Kommunen. Diese stehen bei der Versorgung syrischer Geflüchteter vor großen Herausforderungen: Es mangelt an Infrastruktur, Ressourcen und vor allem an Know-how, um angesichts des rasanten Bevölkerungszuwachses beispielsweise die Abfallwirtschaft, die Wasser- und Energieversorgung oder die kommunalen Verwaltungsstrukturen sicherzustellen. Zwei Drittel der Bevölkerung leben nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam in extremer Armut.

Beim Libanonbesuch im vergangenen Jahr knüpften die Remstäler bereits erste Kontakte zur Gemeinde Bekarzala. Bekarzala zählt 1.500 Einwohner sowie rund 500 syrische Geflüchtete, liegt in der Provinz Akkar, etwa 24 Kilometer von Tripoli entfernt und befindet sich nur knapp zwölf Kilometer südlich der syrischen Grenze. Das Gebiet von Bekarzala ist rund 820 Hektar groß, ein Viertel der Fläche ist bewohnt, der Rest wird landwirtschaftlich genutzt. Der Anbau von Oliven und die Herstellung von Olivenöl sind die Haupteinnahmequelle.

Kommunales Know-how für Nahost

Zwei Vertreterinnen der Gemeinde Bekarzala, Mireille Khoury, Mathe- und Physiklehrerin sowie Gemeinderätin, und die Kämmerin der Gemeinde, Colette Fahd Nehme, besuchten im Frühling dieses Jahres eine Partnerschaftskonferenz für deutsche und libanesische Kommunen in München. Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt von Engagement Global hatte diese Konferenz im Rahmen der Initiative „Kommunales Know-how für Nahost“ mit dem Ziel organisiert, Projektpartnerschaften und Wissensaustausch zwischen den Aufnahmekommunen von syrischen Geflüchteten im Libanon und deutschen Kommunen zu fördern.

Dort trafen OB Arnold und OB Klopfer erneut auf die beiden Libanesinnen und luden sie nach Schwäbisch Gmünd und Schorndorf ein. Bei einem Besuch der Gesellschaft im Ostalbkreis für Abfallbewirtschaftung mbH berichteten die Vertreterinnen von den großen Problemen der Abfallwirtschaft, insbesondere bei der Olivenölproduktion in ihrem Dorf. Auf Grundlage dieses Besuches entstand die Projektidee der Biogasanlage. Jedoch fehlt den Zuständigen im Libanon das technische Know-how. Die Stadt Schwäbisch Gmünd hatte diesen Sommer die Initiative ergriffen und gemeinsam für die beiden Remstalkommunen Schwäbisch Gmünd und Schorndorf den Projektantrag zur fachlichen Unterstützung der Gemeinde Bekarzala bei der Beseitigung des Abfallproblems und zur Planung einer Biogasanlage bei Engagement Global gestellt.

Im ersten Schritt mussten nun die Bedingungen und konkreten Bedarfe vor Ort auf politischer und fachlicher Ebene ermittelt werden. Hanna Toufik Semaane, Bürgermeister der Gemeinde, führte die Besucher aus dem Remstal zu einer der zehn Olivenölmühlen. Die Olivenfelder in Bekarzala gehören den Gemeindemitgliedern. Auch auf den Gebieten der Kommune werden Olivenbäume angepflanzt. Der Ertrag daraus kommt den wirtschaftlich schwächeren Gemeindemitgliedern zugute. Rund 60.000 Tonnen Olivenöl werden pro Jahr in Bekarzala hergestellt. Die Mühle, die die Delegation besichtigte, befand sich unmittelbar neben einem Flüchtlingscamp. Aktuell war die Olivenölproduktion in vollem Gange. Die syrischen Männer aus dem Camp arbeiten in der Mühle mit.

Olivenölproduktion und ihre Abfälle

Bei der Olivenölproduktion in einer der zehn Ölmühlen des Dorfs.Die Oliven werden durch eine Steinmühle gemahlen, so dass die Zellen im Fruchtfleisch und den Steinen aufbrechen und das Öl herausfließen kann. Anschließend wird der Brei gepresst, so dass das Öl extrahiert werden kann. Übrig bleiben ein relativ fester Presskuchen, Fruchtwasser und Olivenöl. Danach wird der wässrige Brei über einen sogenannten Dekanter geschickt, der die Stoffe trennt. Die Trester werden hinter der Produktionshalle auf einen Haufen geworfen. Bislang besteht noch keine geeignete Infrastruktur, um den Oliventrester fachgerecht einzusammeln. Die Abfälle bei der Olivenölproduktion bergen aufgrund der Entwicklung schädlicher Gase eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Anwohner. Während Mikroorganismen andere organische Abfälle in relativ kurzer Zeit in Kompost verwandeln, verrottet der Oliventrester nur sehr langsam. Die Abfälle belasten die Umwelt, da sie Polyphenole enthalten. Die flüssigen Reststoffe werden in Felder geleitet oder einfach neben die Ölmühlen. Hier bilden sich kleine schwarze, nach Schwefel riechende Seen, die wiederum in das Grundwasser gelangen und dieses verschmutzen.

Weil die Olivenölproduktion ein Saisongeschäft ist, und Olivenbäume intervallmäßig tragen, also ein Jahr eine gute Ernte und ein Jahr eine schlechte Ernte einbringen, müssten zum Betreiben einer Biogasanlage zusätzliche Biomassen eingesetzt werden. Um weitere Biomassen wie beispielsweise Küchenabfälle für den Betrieb der Biogasanlage nutzen zu können, bedarf es einer funktionierenden Mülltrennung, die es in der Gemeinde bislang nicht gibt. Doch die Gemeindevertreter zeigten sich bereit und gewillt, eine Mülltrennung einzuführen.

Der Bürgermeister aus Bekarzala erläuterte den Besuchern den Umgang mit Müll in seinem Kommunalverband. 124 Kommunen besitzen ein Müllauto, welches drei Mal im Monat den Müll aus Bekarzala abholt und ihn zu einer zentralen Deponie bringt, wo der Abfall gelagert wird. Eine funktionierende Mülltrennung zu etablieren, ist damit ein zentraler und entscheidender Meilenstein für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes.

Energieversorgung ist eine Herausforderung

Vor Ort erlebte die Delegation ein weiteres Strukturproblem. Mehrmals täglich kommt es im ganzen Land zu Stromausfällen, da der staatliche Versorger „Electricité du Liban“ die Nachfrage nicht abdecken kann.
Der Bürgermeister von Bekarzala berichtete, dass durch den staatlichen Versorger nur rund zwölf Stunden am Tag verlässlich Strom bereitgestellt wird. Behelfen müssen sich die Gemeinden mit privaten und sehr teuren Generatorenbetreibern, die die Bewohner zusätzlich mit Elektrizität versorgen. Auch sei vor Ort das bereits marode Stromnetz durch den zusätzlichen Bedarf der Flüchtlinge überlastet. Der vorhandene Dieselgenerator in Bekarzala liefert rund 500 Kilowatt Strom. Ein weiterer Kleinerer liefert weitere 200 Kilowatt. Für den Betrieb des Generators bezahlt die Kommune rund 30.000 Dollar im Monat. Diese Kosten werden über den Verkauf des Stromes an die Bevölkerung abgedeckt. Im Moment diskutiert die Kommune über den Kauf eines weiteren Dieselgenerators, dieser würde 60.000 Dollar kosten.

Die Idee einer Biogasanlage zur Ersetzung der Generatoren fand daher beim Bürgermeister und den Vertretern der Gemeinde Bekarzala große Zustimmung. In einer Machbarkeitsstudie der GOA werden nun alle auf der Informations- und Austauschreise gesammelten Erkenntnisse und Ergebnisse zusammentragen. Zusätzlich werden Tests im Labor veranlasst, die über die Zusammensetzung und Nutzbarkeit der Biomasse Aufschluss geben sollen.

In einem nächsten Schritt müssen die offenen Fragen diskutiert und geklärt werden, wie beispielsweise die Frage, wer die Biogasanlage vor Ort betreibt, der geeignete Standort, die Ausbildung von verantwortlichen Mitarbeitern oder die Anbindung an das Stromnetz.

Weiterer dringender Bedarf

Beim gemeinsamen Ortsrundgang durch Bekarzala stellten die beiden Oberbürgermeister Richard Arnold und Matthias Klopfer einen weiteren dringenden Bedarf fest: Die Grundschule stößt durch die Teilnahme der syrischen Flüchtlingskinder am Unterricht an ihre räumlichen Kapazitäten. Andererseits ist das Gebäude, in dem die Kinder aus Bekarzala und den umliegenden Dörfern unterrichtet werden, mehr als sanierungsbedürftig.
Nach Rücksprache mit Vertretern der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit Sitz in Beirut erfuhren die Remstäler, dass hierbei unkompliziert und von Kommune zu Kommune schnelle Hilfe geleistet werden könne. Die beiden Oberbürgermeister können sich unter Beteiligung zusätzlicher Spendengeber sehr gut vorstellen, dass hier eine Sanierung erfolgt.