Stadtnachricht

Selbstbewusst mit Thema befassen


Für Schorndorfs OB Matthias Klopfer ist die Erinnerungskultur ein wichtiges persönliches Anliegen. Dies machte er deutlich, als im Vorfeld heftig im Gemeinderat diskutiert wurde, wie man in der Daimlerstadt an die Machtergreifung vor 80 Jahren und die darauf folgende NS-Zeit erinnern soll und welche Mittel dafür aus dem städtischen Haushalt bereitgestellt werden sollen. Um den Streit nicht eskalieren zu lassen, bot damals Klopfer spontan an, bis zu einem fünfstelligen Betrag aus der Privatschatulle beizusteuern, um ein würdiges Programm auf die Beine stellen zu können. Rückblickend hält das Stadtoberhaupt den Streit zwar für unnötig, aber immerhin brachte er eine Menge Aufmerksamkeit mit sich.

Dazu gehörte zunächst eine kaum erwartete Spendenbereitschaft seitens der Einwohner. Von sich aus haben sie inzwischen 10.500 Euro an den Heimatverein überwiesen, der das Geld komplett für die Erinnerungen an die NS-Zeit in Schorndorf zur Verfügung stellt. Auf die Beine gestellt wurde zwischenzeitlich eine ebenso interessante wie vielseitige Veranstaltungsreihe, die bis Oktober geht und in die sich viele als Organisatoren einbringen. Die Bandbreite geht von der Stadtverwaltung selbst über Parteien und Kufo bis hin zur Manufaktur. Zusammengestellt, bebildert und kurz erläutert sind die Angebote in einer Broschüre, die jetzt OB Matthias Klopfer, Stadtmuseumsleiterin Dr. Andrea Bergler, Heimatvereinsvorsitzender Dr. Holger Dietrich und Hauptamtsleiterin Nicole Marquardt der Presse vorstellten. Diese liegt in den örtlichen Rathäusern, kulturtreibenden Einrichtungen und Buchhandlungen aus. Sie ist überschrieben mit "Schorndorf 1933-1945. Erinnern. Gedenken. Mahnen."

Festumzug mit Trommeln und Fanfaren

Mit Blick auf die Spendenbereitschaft ("ich stehe nach wie vor zu meinem Wort") bezeichnet es OB Klopfer als wichtig, dass die Veranstaltungen so zu einem Projekt für die ganze Stadt werden: "Es gehört einfach zum Selbstbewusstsein einer Stadt, dass sie sich mit dieser Thematik befasst." Dies unterstreicht seine Hauptamtsleiterin Marquardt: "Der Nationalsozialismus ist auch an Schorndorf nicht vorbeigegangen." Deshalb sei es wichtig, aus verschiedenen Perspektiven gemeinsam daran zu erinnern. Dies ist das Anliegen der über 20, recht unterschiedlichen Veranstaltungen. So führt beispielsweise der Heimatverein eine Exkursion nach Grafeneck durch, wo in einem Jahr über 10.000 geistig behinderte Menschen umgebracht wurden. Vorsitzender Dr. Holger Dietrich: "Uns geht es nicht um trockenen Stoff aus Büchern. Schließlich befindet sich Grafeneck gleich um die Ecke." Für die Nachhaltigkeit zeichnen Dr. Andrea Bergler und Christa Benseler verantwortlich. Letztere wird eine Stadt- und Museumsführung zur Schorndorfer NS-Geschichte anbieten. Vorgesehen ist außerdem eine Broschüre für einen Stadtrundgang zu Erinnerungsorten. Das Stadtmuseum bereitet außerdem museumspädagogisches Material zum Nationalsozialismus für die Schulen auf.

Ein Höhepunkt wird die Gedenkveranstaltung an die jüdische Familie Anspach sein, die in die USA emigrieren musste.

Aus Chicago wird der Sohn Kenneth von Kurt Anspach erwartet, der mit acht Familienmitgliedern nach Schorndorf kommt und am 6. Juli an einem Podiumsgespräch teilnimmt.