Stadtnachricht

Lebendige Geschichte


Zur Wiedereinweihung der großen Orgel Anfang Mai hatte Pfarrerin Dorothee Eisrich angekündigt, die Stadtkirche wolle zu einer Bürgerkirche werden. Dass sie auf dem besten Wege dahin ist, zeigte sich am vergangenen Wochenende. Das Gotteshaus war Gast-Haus für die gelungene und unterhaltsame Eröffnung der Ausstellung "Armer Konrad" im Stadtmuseum und der begleitenden Skulpturenausstellung von Christoph Traub auf dem Kirchplatz.

"Die Ehrbarkeit hat alle wichtigen Ämter in Vetterleswirtschaft und Eigennutz unter sich aufgeteilt und wir, der gemeine Mann, wir bleiben außen vor. Über allem thronen der Herzog und sein aufgeblasener Hofstaat"  mit seinem szenischen Einstieg nahm Johannes Eller alias Caspar Pregatzer die vielen Gäste mit ins Jahr 1514, als er, der Schorndorfer Anführer des "Armen Konrad" zum Widerstand gegen die Obrigkeit aufrief.

Interkommunal

Was sich vor 500 Jahren rund um den Bauernaufstand zugetragen hat, zeigt jetzt die interkommunale Ausstellung in den beteiligten Städten Schorndorf, Fellbach, Waiblingen und Weinstadt - jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Deren "Obrigkeiten", Christoph Palm, Andreas Hesky und Jürgen Oswald waren ebenfalls in Schorndorf zu Gast. "Schon bei der ersten öffentlichen Führung in unserer Stadt waren 50 Personen", erzählte Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer. "Das macht deutlich, wie groß das Interesse an diesem Thema ist." Dass es auch in die Kirche passe, betonte Pfarrerin Eisrich. Gott stehe auf der Seite der Schwachen und lasse die Hungrigen satt werden: "Er stürzt die Gewaltigen vom Thron und erhöht die Niedrigen", zitierte sie aus dem "Lobgesang der Maria". Zudem gibt es einen direkten geschichtlichen Bezug. Auf dem Kirchplatz, auf dem zehn Skulpturen des Bildhauers Christoph Traub an die zehn in Schorndorf hingerichteten Aufständischen erinnern sollen, wurden 1514 sieben von ihnen verscharrt. Schön sei es, so Eisrich, dass sie nun genau an dieser Stelle wieder auferstanden sind.

Nach wie vor aktuell

Die Ideen und Forderungen aus der Zeit des "Armen Konrad", nämlich politische Mitwirkung und Teilhabe, seien heute noch genauso aktuell, wie damals, erläuterte Stadtarchivarin Edith Holzer-Böhm. "Mit der Ausstellung im Stadtmuseum wollen wir zur Auseinandersetzung mit der Geschichte anregen und an die rebellische Seite Schorndorfs erinnern". Und mit der Aufstellung der Skulpturen kehrten "die von der Obrigkeit Geächteten in unsere Mitte und in das öffentliche Bewusstsein zurück". Dass die Skulpturen dauerhaft in der Stadt bleiben können, soll dank eines Patenschaftsprogramms und der finanziellen Unterstützung der Rotarier und der Lions gelingen, wie Oberbürgermeister Klopfer ankündigte.

Außerordentliches Zeichen

"Für die Stadt Schorndorf ist es ein außerordentliches Zeichen des Gedenkens, dass die zehn Skulpturen einen hoffentlich bleibenden Platz im öffentlichen Raum erhalten haben", betonte Thomas Milz, Journalist und Religionswissenschaftler. Denn: "Diese Werke laden uns ein zu einem lebendigen und produktiven Umgang mit Geschichte und Erinnerung. Sie fordern uns auf, die Vergangenheit ins Bündnis zu nehmen." Milz ordnete die Skulpturen in die Tradition der Torsi ein und spannte den Bogen seiner Gedanken bis ans Ende der 70er-Jahre, als sich Weinbauern und Bürger gegen das geplante Atomkraftwerk im Badischen Wyhl zur Wehr setzten oder eine Protestgruppe sich gegen eine Teststrecke in Boxberg stellte. Dies sei "lebendige Erinnerung im Augenblick der Gefahr".

Auch wenn die geplante Flugblattaktion eines Gewitters wegen ins Wasser fiel, versetzte die Gauklergruppe "Adictum" die Gäste immer wieder in die Vergangenheit. Und das Trio "Zeitsprung Consort" sorgte für die musikalische Zeitreise.

Info

Zur Ausstellung "Armer Konrad" gibt es eine ausführliche Broschüre an den Stadtinfos der beteiligten Städte (Schorndorf: Marktplatz 1) sowie einen Ausstellungskatalog. Die aktuellen Veranstaltungen zum "Armen Konrad" finden sich auf Seite 5.