Stadtnachricht

Selbstbewusst, berufstätig und hoch geachtet


Im späten Mittelalter hatten Nonnen ein sehr hohes Ansehen. Sie waren für ihre Städte ebenso wertvoll, wie heute Bundestagsabgeordnete für ihre heimatlichen Wahlkreise. Von beiden nahm man, an, dass sie den direkten Draht nach "oben" haben: Abgeordnete, indem sie Zuschüsse für Projekte in die Heimat fließen lassen, Nonnen, weil sie den Bewohnern ihrer Stadt Schutz und Segen garantieren.

Nonnen waren ein Segen

So zumindest haben es die Menschen Anfang des 16. Jahrhunderts gesehen. Als beispielsweise die Frauen des Klarissinnen-Ordens von Genf ihren Konvent wegen der Reformation 1535 aufgeben und die Stadt verlassen mussten, waren die Bewohner untröstlich: "O jeh, die gesamte Stadt verliert heute all ihr Gut und all ihr Licht." Für die Bewohner stand außer Frage: "Gott hat uns aufgrund ihrer heiligen Verdienste stets behütet." Weil dies künftig nicht mehr garantiert wäre, wollten einige Bürger sogar aus der Stadt wegziehen.

Ein zweiter Aspekt war daneben die ganz konkret greifbare Seelsorge, die die geistlichen Frauen bis dato ausgeübt hatten. Deren Verlust war herb: "Denn niemals hat ein Geschöpf mit ihnen gesprochen, das davon nicht Tröstung mit sich genommen hat, so trostlos seine Lage auch war", bekräftigten die Einwohner und fragten bang: "Wer wird uns von nun an trösten?"

Die Klause in Schorndorf

In Schorndorf gab es nie ein Kloster. In der Umgebung derer mehrere, wie zum Beispiel das der Prämonstratenser in Adelberg, das bis 1476 als Doppelkonvent für Männer und Frauen existierte, danach nur noch für Männer. Allerdings gab es in Schorndorf die Klause der sogenannten "Seelschwestern", einem Drittorden der Franziskanerinnen, die für das Seelenheil der Verstorbenen beteten, daneben wahrscheinlich auch Krankendienste und alle Aufgaben rund um die Beerdigung erledigten.

Nachdem sich auch ein Webstuhl in ihrem Haus neben der Kirche befand, ist nicht ausgeschlossen, dass es sich um ehemalige Beginen handelte, die dort in einer reinen Frauen-Wohngemeinschaft lebten und ihren Lebensunterhalt durch handwerkliche Produkte verdienten. Weil diese Gemeinschaften ab 1311 verboten wurden, schlossen sich viele Beginenhäuser den Franziskanerinnen an, jedoch in Form eines "Drittordens". Dies bedeutet, dass sie weniger strenge Gelübde ablegten und wieder austreten konnten, etwa, um zu heiraten. Die Unterlagen der Schorndorfer Klause belegen, dass ihre zuvor eingebrachte Mitgift ihnen dann wieder ausgezahlt wurde.

Gelehrte Frauen wurden heimatlos

Dass wir heute eine sehr distanziert-kritische Einstellung gegenüber dem Ordensleben haben, ist auf Martin Luther zurückzuführen, der sich vehement dafür einsetzte, dass keine Frau gegen ihren Willen in ein Kloster gesteckt werden sollte. Da er außerdem verkündete, dass sie als Mutter ebenso gut, wenn nicht sogar besser Gott dienten, betrieben übereifrige Anhänger in der Folgezeit die gewaltsame Abschaffung sämtlicher Frauen-Konvente.

Den Wissenschaften widmen

Jene Frauen, die freiwillig und gern im Kloster waren, weil sie sich beispielsweise - wie schon Hildegard von Bingen - den Wissenschaften widmen konnten, wurde durch die Klosterschließungen nicht nur ihrer Wohn-, sondern auch ihrer Arbeitsstätte beraubt. Deshalb erstaunt es nicht, dass sich viele Ordensleiterinnen dagegen wehrten, wie beispielsweise Caritas Pirckheimer in Nürnberg. Über sie und deren Schwestern schrieb Willibald Pirckheimer in einem Brief an Erasmus von Rotterdam "sie sind weiser als viele Männer, die sich gelehrt dünken". Zwei kulturprägende Konsequenzen hatte Luthers Lob der Hausfrau und Mutter. Zum einen ging mit der Schließung der Klöster das Potenzial der geistig aktiven Frauen für Wissenschaft und Geschichtsschreibung verloren. Zum anderen wurden sie allmählich von vielen anderen Berufen ausgeschlossen. Der Historiker Rudolf Endres hat festgestellt, dass Frauen im Mittelalter den Männern gegenüber ziemlich gleichberechtigt waren. Aus den Steuerlisten des späten Mittelalters geht hervor, dass Frauen rund ein Viertel aller Steuerzahler stellten.

Das Handwerk war keine reine Männerdomäne, Frauen erwarben ebenso wie Männer den Meistertitel und bildeten Lehrlinge aus. Manche Berufe wiesen sogar reine Frauenzünfte auf, wie die Garnmacherinnen, Goldspinnerinnen, Seidenmacherinnen und Seidenstickerinnen.

Mit Beginn des 18. Jahrhunderts hatte sich dies deutlich geändert, da waren laut Endres "Frauen schließlich in fast allen Handwerken auf minderwertige Hilfsarbeiten verwiesen oder sogar völlig aus dem Handwerk verdrängt. Wer aber dennoch gezwungen war, für seinen eigenen Lebensunterhalt oder den der Familie zu sorgen, konnte meist nur in der Heimarbeit tätig werden." Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde es Mädchen ganz verboten, eine Handwerkslehre zu machen. Das hatte nichts mit ihrer Qualifikation zu tun, wie im Handwerksrecht aus dem Jahr 1717 steht: "Ordentlicher Weise darf keine Weibsperson ein Handwerk treiben, ob sie es gleich so gut als eine Mannsperson verstünde". Als Grund wurde unumwunden festgehalten: weil "das Mädchen zum Heurathen bestimmt" sei. Der Zusatz "und könne man nicht wissen, wen sie einmal heurathen werde" deutet bereits darauf hin, dass für Frauen damit nur noch der assistierende, Handlanger-Status vorgesehen war. Beispielhaft wurde es dort so auf den Punkt gebracht: "Eine gelernte Schusterinn sei aber dem Schmiede nicht nütze".

Ein unmoralisches Angebot

Im Jahr 1517 kam der angesehene Schorndorfer Bürger Ulrich von Gaisberg auf die Idee, dass die Stadtoberen in Zukunft ein Wörtchen mitzureden haben sollten, wenn es um die Aufnahme neuer Frauen in die Klause geht. Er lockte die Seelschwestern mit der Aussicht, ihnen dafür im Gegenzug alljährlich 39 Gulden aus seiner Stiftung zukommen zu lassen, was etwa dem Wert von 54 schlachtreifen Ochsen entsprach.

Die Schwestern lehnten dieses Ansinnen entrüstet ab. Nachdem sie sich "nit wenig unnd dermaßen beschwert" hatten, wurde dieses Ansinnen zurückgenommen. Nichtsdestotrotz erklärten sie sich bereit, für das Seelenheil der Familie zu beten  für die Zahlung von jährlich fünf Gulden.

Vortrag

Wie sich Frauen auch im Aufstand des "Armen Konrad" aktiv einbrachten, ist im Vortrag der Politologin Gabriela Uhde am heutigen Donnerstag, 24. Juli im Rathaus am Marktplatz 1 zu erfahren. Unter dem Titel "Nicht nur ehrbar, fromm und schwanger  Frauen im Aufstand des Armen Konrad" berichtet sie ab 19 Uhr über ihre Sichtung der Originalquellen, die sich im Schorndorfer Stadtarchiv befinden, und die bis dato noch nie auf diese Fragestellung hin untersucht worden waren. Der Eintritt ist frei.