Stadtnachricht

Eine gesellschaftliche Aufgabe


Sie suchen Zuflucht aus Kriegsgebieten: Anfang Februar kommen weitere 64 Flüchtlinge nach Schorndorf. Sie finden Unterschlupf in einer neuen Unterkunft: Zwei Wohnhäuser im Richterweg hat die städtische Wohnbaugesellschaft SWS am 23. Dezember mit Zustimmung des Aufsichtsrates erworben  ohne zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, dass die acht 3-Zimmer-Wohnungen so schnell bezugsfertig sein müssen. Bei einer Veranstaltung in der Pauluskirche informierten Stadtverwaltung und Kreissozialamt rund 350 Bürgerinnen und Bürger der Nordstadt über die aktuelle Entwicklung. Neben Kritik gab es auch viele Fürsprecher.

Häuser am Richterweg

Überrollt

Dass die Anforderungen an die Kommunen, Flüchtlinge unterzubringen, steigen würden, sei klar gewesen. "Ich hätte aber nicht gedacht, dass es so schnell geht", betonte Oberbürgermeister Matthias Klopfer. Bereits am 29. Dezember musste die Stadtverwaltung zehn vom Landkreis zugewiesene Flüchtlinge unterbringen. Da die bislang einzige Unterkunft in der Wiesenstraße mit 200 Asylbewerbern voll besetzt ist, blieb keine Alternative, als die zehn Personen in der Obdachlosenunterkunft im Hammerschlag einzuquartieren. Am 7. Januar sah sich Klopfer dann mit der Tatsache konfrontiert, dass der Rems-Murr-Kreis weitere 250 Flüchtlinge aufnehmen muss  und sei es in den Sporthallen der Berufsschulzentren, die dem Kreis gehören. "Wir haben nicht erwartet, dass wir noch im Januar so viele Menschen bei uns aufnehmen müssen, wir sind vollkommen überrollt", erklärten Rosemarie Längle-Sanmartin und Joachim Frey vom Kreissozialamt die prekäre Lage. "Wir wollten aber unbedingt vermeiden, dass Turnhallen belegt oder Container oder gar Zeltlager in Schorndorf aufgestellt werden müssen", begründete Klopfer die Entscheidung, erneut  und so schnell  in der Nordstadt ein Flüchtlingsquartier einzurichten und dieses an den Landkreis zu vermieten.

Standortsuche

Der Standort war einer der Hauptkritikpunkte seitens der Bürgerinnen und Bürger bei der Veranstaltung in der Pauluskirche. Der Mietvertrag sei zunächst auf fünf Jahre angelegt und die SWS plane fest ein, die beiden Grundstücke im Richterweg einmal neu zu bebauen, erklärte SWS-Geschäftsführer Martin Schmidt. Klopfer kündigte außerdem an, dass die Stadt nun verstärkt in der Südstadt und in den beiden größten Stadtteilen Weiler und Haubersbronn nach möglichen Unterkünften Ausschau halten werde. Denn dass der Bedarf weiter steige, daran bestehe kein Zweifel. Zumal die Stadt auch Wohnungen für die sogenannte Anschlussunterbringung brauche. Im Gegensatz zur Erstunterkunft, für die der Landkreis zuständig ist, ist die Stadt nach spätestens 24 Monaten verantwortlich für die weitere Unterbringung der Asylbewerber.

Wie und vor allem von wem werden die Flüchtlinge in der Stadt betreut, war eine weitere Frage der Bürgerinnen und Bürger. Momentan ist Sozialarbeiter Nabil El Tolony zuständig für die 200 Asylbewerber in der Wiesenstraße. Längle-Sanmartin sagte hier aber personelle Unterstützung zu. Ein weiterer Sozialarbeiter, eine Sozialarbeiterin soll nach Schorndorf kommen. Hilfe sicherte auch die evangelische Landeskirche zu. Eine 50-Prozent-Stelle werde für die soziale Betreuung in Schorndorf geschaffen, ließ Dekan Volker Teich wissen. Eine weitere 50-Prozent-Stelle stellte Gerhard Rall, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbandes Rems-Murr, in Aussicht, auch wenn die finanzielle Seite noch nicht ganz geklärt sei. Zudem gebe es eine Reihe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, wie Ulrich Kommerell von der Stadtverwaltung erläuterte. Wer sich für Flüchtlinge engagieren möchte, könne sich beispielsweise unter www.sprachhelfer-schorndorf.de informieren.

Bereicherung

Wie sichergestellt sei, dass die neuen Bewohnerinnen und Bewohner keine Krankheiten wie Ebola mitbrächten? Diese Frage beantwortet der Schorndorfer Arzt Dr. Hansjörg Scherz: "Die Menschen sind medizinisch bestens betreut." Die Angst sei also unbegründet. Ohnehin meldeten sich sehr viele Fürsprecher und Unterstützer zu Wort. Timo Heckenlaible beispielsweise macht derzeit ein Praktikum bei der Stadt und hat viel Kontakt gerade zu den jüngeren Bewohnern in der Wiesenstraße. "Sie sind eine Bereicherung für mein Leben." Und deshalb sollten sich alle darauf freuen, dass die Flüchtlinge kommen. Das erweitere den Horizont. Sichtlich gerührt dankte Oberbürgermeister Klopfer den Anwesenden für den konstruktiven Ablauf des Abends: "Das zeichnet unsere Stadt aus, lassen Sie uns diese gesellschaftliche Aufgabe gemeinsam angehen." Apropos gemeinsam: Klopfer plant, einen Treffpunkt für Flüchtlinge, Ehrenamtliche, Helferinnen und Helfer beim Asylbewerberheim in der Wiesenstraße einzurichten und Patenschaften für einzelne Asylbewerber ins Leben zu rufen. "Für beide Ideen haben sich schon einige Unterstützer gefunden."

Kurz vor Weihnachten hatte Oberbürgermeister Matthias Klopfer die Flüchtlingsunterkunft in der Wiesenstraße besucht. "Mir ist es wichtig, mich vor Ort zu informieren, die Menschen kennenzulernen, ihre Probleme und Anliegen zu hören", sagte Matthias Klopfer. Knapp zwei Stunden hatte sich der Oberbürgermeister mit den Bewohnerinnen und Bewohnern über deren Schicksale, ihre aktuelle Situation unterhalten und ihr dringendstes Bedürfnis gehört: "Wir wollen arbeiten", hatten alle betont. Ein Bedürfnis, für das der Gesetzgeber die rechtliche Grundlage geschaffen hat: Asylbewerber und geduldete Ausländer dürfen nun bereits nach drei Monaten arbeiten. "Wir sind seitens der Stadt bereits in Gesprächen mit Schorndorfer Unternehmen, die uns hierbei unterstützen wollen", berichtete Klopfer bei der Infoveranstaltung in der Pauluskirche. Und auch bei der Stadt selbst werden zunächst bei den Zentralen Diensten weitere Arbeitsplätze für Asylbewerber geschaffen.

Dokumentarfilm

Am Sonntag, 15. Februar läuft um 17 Uhr zum Thema der prämierte Dokumentarfilm "Land in Sicht" im Kino des Club Manufaktur in Schorndorf. Der Eintritt ins Kino ist frei  die Veranstalter bitten um Spenden, die dem geplanten Treffpunkt zugutekommen sollen.