Stadtnachricht

Barbara-Künkelin-Preis an Dr. Lisa Federle verliehen


Elsbeth Rommel. Tochter des Stifters und Vorsitzende des Preisgerichts eröffnet die Verleihung.

Bereits zum 20. Mal wurde am Sonntag in Schorndorf der Barbara-Künkelin-Preis verliehen. 19 Frauen, die mutig gegen den Zeitgeist und gegen alle Widerstände gehandelt haben, genau wie die Namensgeberin Barbara Künkelin, wurden seitdem ausgezeichnet. Nun darf sich die Tübinger Ärztin Dr. Lisa Federle zu den Frauen zählen, die das Preisgericht der Stiftung Barbara-Künkelin-Preis mit den Attributen rebellisch, innovativ und für die Zukunft beschreibt.
Elsbeth Rommel, Vorsitzende des Preisgerichts erklärte, warum sich die Jury in diesem Jahr auf Dr. Federle geeinigt hatte. Im Jahr 2020, zu Beginn der Coronapandemie, erkannte sie schnell die Gefahren und entwickelte einen Plan um denen entgegenzuwirken. Testen, testen, testen lautete ihr Motto und sie wurde nicht müde, dies an allen Stellen vorzutragen. Doch als die Politik nur träge reagierte, ging Federle finanziell in Vorleistung besorgte PCR- und Schnelltests und startete erst mit Testungen in Heimen, bevor sie mit einer mobilen Arztpraxis auf dem Tübinger Marktplatz Testungen für die gesamte Bevölkerung anbot. Der heute sogenannte „Tübinger Weg“ entpuppte sich als Erfolgsmodell und sorgte dafür, das Tübingen nicht in den totalen Lockdown gehen musste.

Mit ihren Freunden Philipp Feldtkeller (l.) und Dieter Thomas Kuhn ist Federle auch auf Lesetour.

Über Lisa Federle

Federle kam zur Verleihung gemeinsam mit ihren guten Freunden, den Musikern Dieter Thomas Kuhn und Philipp Feldtkeller. Die drei sind aktuell auch gemeinsam auf Tour. Die Musiker unterstützen Lisa Federle bei den Lesungen aus ihrem Buch „Auf krummen Wegen geradeaus“ und umrahmten auch die Preisverleihung musikalisch. Aus ihrem Buch trug Federle auch am Sonntag ein sehr bewegendes Kapitel über eine Notlandung mit dem Flugzeug und ihre dabei erlebten Emotionen vor.
Bereits im Alter von neun Jahren war Federle, die aus einem konservativen, pietistischen Elternhaus stammt, klar, dass sie Ärztin werden wollte. „Ursprünglich Missionsärztin“, so Federle. Doch als sie mit elf Jahren ihren Vater wegen einem Kunstfehler eines Arztes verlor und sie sich, um die Trauer zu überstehen, in Bücher flüchtete, rückte der Traum erstmal in weite Ferne. „Ich wurde rebellisch, las in der Schule unter dem Tisch lieber meine Bücher, statt dem Unterricht Aufmerksamkeit zu schenken“. So blieb sie zweimal sitzen und flog nach der 9. Klasse ohne Abschluss von der Schule. „Ich wurde schwanger und bekam mit 17 Jahren meinen ersten Sohn. Schnell folgte meine zweite Schwangerschaft und ich brachte meine Tochter auf die Welt“, so Federle. Mit 19 trennte sie sich wegen seines Drogenkonsums vom Vater der beiden Kinder. Ohne Unterstützung kämpfte sie sich durch, „teilweise konnte ich meine Kinder nicht ernähren und habe Essen für sie geklaut.“ Doch sie schaffte parallel erst ihren Hauptschulabschluss, dann die Mittlere Reife. Sie bekam das dritte Kind und bestand mit 30 ihr Abitur, dem sie ein Medizinstudium anschloss. Währenddessen kam ihr viertes Kind zur Welt und mit 37 Jahren hatte Federle es geschafft: Sie war Ärztin. Seitdem arbeitet sich auch in diesem Beruf.

Dr. Lisa Federle liest aus ihrem Buch.

Kuhn über Federle

Kuhn las aus Federles Buch ein sehr unterhaltsames Kapitel über die alkoholfreie Geburtstagsparty mit Erdbeeren und Apfelsaft beim Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer vor, bevor er eine persönliche Laudatio für seine Freundin hielt.
„Als wir uns kennenlernten, war Lisa angehende Notärztin und ich angehender Popstar“, erzählte er lachend. „Sie hat dann angeboten, die Notfalldienste auf meinen Konzerten zu übernehmen.“ Zur Flüchtlingswelle 2015 kaufte Federle, mit finanzieller Unterstützung von Til Schweiger ein Wohnmobil, dass sie zu einem Arztmobil umbauen lies. Damit fuhr sie dann die Flüchtlingsunterkünfte an. Im Anschluss eröffnete sie ihre eigene Praxis in ihrem Mehrgenerationenhaus, das sie gemeinsam mit der Familie ihres ältesten Sohnes bewohnt. Und auch Kuhn beschrieb eindrücklich, die Situation 2020, als Federle ihn und Feldkirch um Hilfe bei der Testung der Bevölkerung bat. Am ersten Tag seien sie motiviert mit der mobilen Praxis, einem Pavillon und einem Stuhl auf den Marktplatz gekommen und fanden eine rund 300 Meter lange Schlange mit lauter testwilligen Menschen vor.
In den darauffolgenden Tagen wurde die Kapazität stets erhöht, da immer mehr Menschen zur Testung kamen. „Wir haben eine große Dankbarkeit erfahren“, so Kuhn. Und weiter: „Das Engagement von Lisa war beeindruckend, auch weil sie teilweise gegen Windmühlen kämpfen musste und vom Gesundheitsministerium keine Unterstützung bekam. Der Barbara-Künkelin-Preis kommt in die goldrichtigen Hände. Lisa hat sich von der Politik nicht benutzen lassen, sondern hat die Politik für sich genutzt.“ Die Männerwelt, so Dieter-Thomas Kuhn, könne sich ein Beispiel an der Frauenpower nehmen.

Respekt vom Oberbürgermeister

Auch Oberbürgermeister Bernd Hornikel, der die Preisverleihung übernahm, würdigte die Arbeit von Dr. Lisa Federle.
„Vor allem in Momenten der Unsicherheit mangelt es nicht an Worten. Auch in der Coronapandemie gab es genug Leute die sagten ‘Eigentlich sollte man...’. Doch sich an die Umsetzung zu wagen, war die Herausforderung. Es kostet Mut, aus Gedanken und Worten Taten werden zulassen. Dass Sie, Frau Dr. Federle gemeinsam mit Ihrem Team nicht nur gedacht, sondern auch gehandelt haben, davor habe ich großen Respekt. Ich bewundere Ihren Mut, der die Probleme nicht wegschiebt, sondern nach Lösungen sucht, auch mit Risiko. “
Mit ihrem Tun habe Federle gezeigt, wie handlungsfähig Kommunen in globalen Krisen sein können und dabei aber nie vergessen, dass sie es mit vertrauenswürdigen Bürgerinnen und Bürgern zu tun hat. „Dafür ehren wir Sie als diesjährige Preisträgerin und ich verleihe Ihnen im Namen der Stadt Schorndorf und des Heimatvereins Schorndorf, als Oberbürgermeister und als Stiftungsratsvorsitzender den Barbara-Künkelin-Preis 2023.

Oberbürgermeister Bernd Hornikel verleiht Dr. Lisa Federle den Barbara-Künkelin-Preis.

Auf krummen Wegen geradeaus

In einem Impuls machte auch Dr. Holger Dietrich, Vorsitzender des Heimatvereins Schorndorf, deutlich, wie gut der Name ihrer Biografie zu ihrem Leben passt. „Nach dem er den Lebenslauf das erste Mal überflogen hatte, drängte sich mir der Gedanke auf ‘ Ohje, wieder jemand, dessen von Umwegen geprägter Lebensweg beweist, dass man es auch zu etwas bringen kann, wenn man in der Schule nicht zu den Besten gehört“, so Dietrich. Doch der Lebensweg, den Federle auch in ihrem Buch beschreibt, zeigt etwas ganz anderes. Wie viele andere Menschen auch, litt Federle unter gehörigen Startschwierigkeiten und kämpfte mit ungünstigen Voraussetzungen. „Bemerkenswert“, so Dietrich, „welche Schlüsse Sie daraus gezogen haben. Ihre Biografie zeigt, dass Lernen niemals endet und es niemals zu spät dafür ist, sich mit Bildung auseinanderzusetzen.“

Preisgeld

Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro spendet Federle an den Verein „BewegtEuch“, eine Initiative von ihr, Schauspieler Jan Josef Liefers und Moderator Michael Antwerpes zur sportlichen Förderung und Unterstützung von benachteiligten Kindern und Jugendlichen.

Das Preisgeld stiftet Federle an ihren Verein „BewegtEuch“.