Haushaltsrede 2021 von Gerhard Nickel, FDP/FW

Beim Nachdenken über die wohlgewählten Worte, die ich nun im Auftrag meiner Fraktion an Sie alle richten darf, stellte sich mir das große Problem: Was soll man nach einem solchen „Annus horribilis“ – diesem Horrorjahr 2020 – überhaupt noch sagen angesichts der überraschenden personellen Veränderungen im Gremium, der personellen Veränderungen bei den Stadtwerken, dem Streit und der Uneinigkeit im Gemeinderat und vor allem nach den unsäglichen Erfahrungen mit Corona?
 
Was soll man vor einem weiteren „Annus horribilis“ - einem weiteren Horrorjahr 2021 – überhaupt noch sagen angesichts des nunmehr seit fast 3 Monaten andauernden Eingeschlossenseins zu Hause, angesichts der Ungewissheit darüber, wie lange dies noch andauern wird – niemand glaubt an den 14.02.2021 –, angesichts der täglich neuen Unkenrufe, dass alle Anstrengungen trotz des Rückgangs der Horrorzahlen nicht ausreichend sind und weitere Verschärfungen unausweichlich sein sollen?
 
Nichts zu sagen bringt aber auch nichts. Die Rede des letzten Jahres zu wiederholen Im Hinblick auf meine damaligen Ausführungen zu einer besseren Zusammenarbeit hier im Gremium und zur Notwendigkeit neuer Schulden, um unsere Aufgaben zu meistern? Hätte auch nichts gebracht, wäre vielleicht noch nicht einmal bemerkt worden.
 
Dann habe ich am letzten Samstag den Schorndorfer Nachrichten entnommen, dass wir heute nicht nur mit 3, sondern sogar mit 4 grünen Reden beglückt werden! Dies hat mich veranlasst, bei meinen Fraktionsmitstreitern anzufragen, ob nicht auch wir unsere Redezeit dadurch verdoppeln sollten, dass wir die Fraktion aufteilen? Mir wurde eine klare Abfuhr erteilt: Wir sind auf einer Liste gemeinsam gewählt, wir werden die Interessen gemeinsam weiter vertreten! Sie werden also damit leben müssen, dass von unserer Fraktion nur ein Redner hier vorne steht.
 
Und ich will niemand langweilen: Alle Mitarbeiter der Stadt Schorndorf und der städtischen Töchter waren in der Pandemie besonders gefordert. Sowohl Herr Oberbürgermeister Klopfer als auch meine Vorredner haben dies schon ausreichend gewürdigt. Dem schließe ich mich namens meiner Fraktion an.
 
Um die Belastung der Verwaltung einzugrenzen, haben wir beschlossen, dass wir in diesem Jahr keinen einzigen eigenen Antrag zum Haushalt stellen werden. Es macht weder Sinn noch Laune, in dieser Pandemiezeit die Verwaltung mit Anträgen zu beschäftigen, die dann vom Gremium entweder abgelehnt werden – ich erinnere mich an die Abstimmung über das Gewerbegebiet Ziegelfeld – oder lediglich zur Kenntnis genommen und damit auf die lange Bank geschoben werden. Wir werden uns die Vorschläge unserer Ortschaftsräte und der anderen Fraktionen genau ansehen und dann von Fall zu Fall entscheiden.
 
Dies heißt aber natürlich nicht, dass wir keine klaren Erwartungen oder Vorstellungen haben, was in diesem Jahr und in den Nachfolgenden in Schorndorf zu passieren hat. Über den Baubeschluss für unsere Stadtbücherei am Spitalhof möchte ich kein weiteres Wort verlieren. Der Neubau der Bücherei an diesem Standort ist für uns selbstverständlich.
 
Zur Erfüllung unserer uns von Bund und Land auferlegten Verpflichtungen im Bereich der Kinderbetreuung werden wir sowohl in Weiler als auch an der Mönchsbrücke weitere Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen, ungeachtet der Baukosten und der sich hieraus ergebenden Abschreibungen.
 
Die Sanierung unserer Schulgebäude muss in hohem Tempo weitergehen: Sanierung der Gottlieb-Daimler-Realschule, des Max-Planck-Gymnasiums und die Erweiterung der Sommerrainschule in Schornbach.
 
Corona hat uns allen mit brutaler Deutlichkeit vor Augen geführt, wie groß unsere Defizite im Bereich der Digitalisierung sind. Es ist daher unsere Pflicht als Schulträger, unsere Schulen optimal an die digitale Welt anzuschließen und optimal mit Geräten auszustatten. Glücklicherweise sind wir als Schulträger nicht für die Inhalte zuständig, mit denen sich Schüler und Eltern herumschlagen müssen. Dies ist die Verpflichtung des Landes. Uns als Gemeinderat obliegt es, den eingeschlagenen Weg unserer Stadtwerke in der Versorgung der gesamten Stadt mit Glasfaser weiterzugehen. Es ist im Rahmen der Daseinsvorsorge nach wie vor richtig, dass die Netze in städtischer Hand sind!
 
Bei der Stadtentwicklung werden wir leider noch einige böse Überraschungen erleiden, wenn wir sehen, wie sich die Pandemie und der Lockdown auswirken werden. Die Idee der Stadt als „Zwischenmieter“ wird hier sicherlich näher zu betrachten sein. Gleiches gilt für die Frage, ob es nicht Möglichkeiten direkter städtischer Unterstützung verhandelt und Dienstleister gibt, die von den langen monatigen Schließungen besonders betroffen waren.
 
Bei der Frage der zukünftigen Mobilität und der Bedeutung von Auto, Fahrrad, Parkplätzen, Bussen und Bahnen müssen wir genau hinschauen. Fehler dürfen wir hier auf gar keinen Fall machen. Dabei werden die Überlegungen sicherlich hinsichtlich kurzfristiger Maßnahmen andere Ergebnisse zeitigen wie Maßnahmen, die eher mittel- bzw. langfristig greifen werden.
 
Mit dem Wohnbaumodell Schorndorf sind wir auf dem richtigen Weg. Wir wünschen uns selbstverständlich ein IBA-Projekt im Bereich Paulinenstraße/alter Bauhof.
 
Meine Fraktion träumt auch weiterhin von der Erschließung des unteren Ziegelfeldes als vorbildlichem, ressourcensparenden Gewerbegebiet. Wieso soll ein Gewerbegebiet eigentlich nicht energieautark und ökologisch vorbildlich geplant und zukunftsfähig gemacht werden können? Aufgrund der letztjährigen leidvollen Erfahrung werden wir hier keinen Antrag stellen, eine weitere Abfuhr brauchen wir nicht. Wie der Vorsitzende der Fraktion Freie Wähler im Regionalparlament, der Waiblingen Oberbürgermeister Hesky, in seiner Haushaltsrede dort gesagt hat, braucht der Strukturwandel, vor dem unsere Industrie steht, trotz allem weitere Flächen, um sich entwickeln zu können. Dies gilt natürlich auch für die Ansiedlung von Betrieben, die uns letztlich Gewerbesteuereinnahmen bringen werden – in Zeiten steigender Abschreibungen unerlässlich.
 
Zur Kultur gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung: Ich werde zukünftig keine Kürzung von Beiträgen an unsere kulturtreibenden Institutionen mehr mittragen. Lufthansa, TUI, Karstadt – um nur wenige Namen zu nennen – werden mit Milliardenbeträgen unterstützt und gerettet. Die hierfür Verantwortlichen werden sich dies sicherlich genau überlegt haben. Ich verspüre gerade jetzt in der Pandemie, wie sehr mir der Kulturbetrieb fehlt. Ich möchte, dass der Kulturbetrieb nach Ende des Lockdowns schnell wieder Fahrt aufnimmt; dabei soll er sich meiner Unterstützung sicher sein.
 
Ich nähere mich dem Schluss meiner Ausführungen und damit dem Zukunftsthema, das nicht nur meine Generation oder die der jüngeren Gemeinderatsmitglieder betrifft, sondern insbesondere auch jene Generationen, die in diesem Gremium noch gar nicht vertreten sind und in unserer Stadt erst in Zukunft leben werden. Ich spreche vom Klimawandel und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Wir unterstützen den Bürgerantrag zur Klimaneutralität für Schorndorf, spätestens bis zum Jahre 2035. Dabei kommt es aus unserer Sicht weniger darauf an, punktgenau im Jahre 2035 bestimmte Vorgaben zu erfüllen. Wichtig ist der Wandel der Perspektive und die Beachtung der jeweiligen Auswirkungen von Maßnahmen auf die nachfolgenden Generationen.
 
Wie ich bereits bei der Frage der Entwicklung von weiteren Gewerbeflächen erläutert habe, geht es nicht darum, sich jeglicher Weiterentwicklung geradezu mönchisch zu verweigern. Es wird unser Ziel sein müssen, Ökologie und Ökonomie miteinander in Einklang zu bringen, damit die weltweiten Umweltschäden nicht zu weiterer, umweltbedingter Migration führen, mit all den negativen Auswirkungen - auch in den Herkunftsländern.
 
Ich habe immer noch die unerschütterliche Hoffnung, dass ich in nicht allzu ferner Zeit endlich eine der positiven Eigenschaften des Klimawandels hier bei uns im Remstal wieder mit Freunden genießen kann: Ich freue mich auf ungetrübte Treffen mit Freunden, ohne Rücksicht auf Pandemie-Einschränkungen, bei denen wir die eine oder andere Flasche hervorragenden Weines genießen können aus Traubensorten, die wie Syrah oder Sauvignon Blanc erst aufgrund des wärmeren Klimas bei uns reifen und unsere Spitzenwinzer zu Höchstleistungen treiben.
 
Gerhard Nickel
28.01.2021